Susanne Barden 01 Hinaus ins Leben
verrückt wird.«
»Ja, natürlich«, rief Elfe Holton. »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen, Hilda.«
Luise warf Hilda einen verächtlichen Blick zu. »Mit Geld hat das überhaupt nichts zu tun. Eine Krankenschwester muß bereit sein, ihr Leben hinzugeben, um andere Menschen körperlich und geistig gesund zu erhalten. Das ist alles.«
Kits braune Augen begannen zu funkeln. »Ihre Grundsätze sind ja geradezu lebensgefährlich, Willi«, rief sie. »Sie wollen also mit Vergnügen Hungers sterben, falls man Sie nicht vorher ermordet. Und sicherlich werden Sie ganz umsonst arbeiten, nachdem Sie Ihr Diplom bekommen haben.«
Luise errötete nicht. »Ich .« begann sie.
»Halt!« unterbrach Connie sie ruhig. »Wir kommen vom Thema ab. Die Frage lautete, ob wir im Notfalle den Mut haben würden, unser Leben für einen Patienten einzusetzen.«
Luise richtete sich gerade auf. »Natürlich würde ich den Mut haben. Das ist doch ganz selbstverständlich.«
»Wie wollen Sie das wissen? Haben Sie schon jemals .«
»Aber Connie!« Kits Stimme war sehr englisch. »Es kommt doch gar nicht darauf an, ob man den Mut hat oder nicht. Man tut es einfach. Ich hoffe wenigstens«, fügte sie hastig hinzu.
Connie sah zu Susy hinüber. »Wie denkst du darüber, Susy?«
Susy fuhr auf. »Ich? Was hast du gesagt?«
»Um Himmels willen!« stöhnte Kit. »Du bist Zeuge einer weltbewegenden Diskussion und hast nicht einmal zugehört?«
Susy ließ den Löffel fallen. Sie hatte ihre Suppe nicht angerührt. »Ja - ich - hab wirklich nicht zugehört.«
Hilda sah sie aufmerksam an. »Was ist mit Ihnen los, Susy? Sie sehen ja ganz grün aus. Sind Sie krank?«
Susy rückte unbehaglich ihren Stuhl. Dann antwortete sie mit gespielter Munterkeit: »Ach wo, ich fühle mich ausgezeichnet. Dabei habe ich mich soeben mit Fräulein Matthes herumgebalgt. Wie es ihr bekommen ist, weiß ich nicht. Mir ist jedenfalls wie einem gründlich ausgekochten Schwamm zumute.«
Alle schrien entsetzt auf. Sogar Luise verlor ihre Gelassenheit. »Aber warum denn?« fragte sie entgeistert.
»Ach, wegen allerlei Sünden, vor allem aber, weil ich mit einem Hausarzt in der Stadt Tee getrunken habe.«
Die anderen starrten sie ungläubig an.
»Verflixt!« rief Elfe Holton schließlich. »Hat man Sie rausgeschmissen?«
»Nein, das nicht. Aber es war auch so schlimm genug.«
»Ich hätte nie geglaubt, daß Sie so etwas tun würden, Susy«, sagte Luise. »Sie enttäuschen mich.«
Susy errötete. »Es tut mir leid, Ihre Illusion zerstört zu haben, Willi. Sie müssen sich eben ein anderes Ideal suchen.«
»Wie ist das bloß gekommen, Susy?« fragte Kit. »Vielleicht gelingt es dir, Willis gebrochenes Herz zu kitten, wenn du ihr alles erklärst.«
»Fräulein Ellison hat es auf mich abgesehen. Sie hat mich wahrscheinlich zuerst gemeldet. Nachdem nun die Sache mit dem Tee hinzukam, fand Fräulein Matthes wohl, daß es mit mir bergab ginge. Mangelndes Verantwortungsgefühl! Ich, die im Diensteifer gleich hinter Willi kommt!«
Susy schwieg. Es fiel ihr nicht leicht, den gleichmütigen Ton beizubehalten, während ihr noch die tadelnde Stimme von Fräulein Matthes im Ohr klang. Ein schwacher Geruch nach Möbelpolitur, der im Speisesaal schwebte, erinnerte sie an den Geruch im Zimmer der Schulleiterin, und ihr Herz fing wieder zu hämmern an. Aber die Unterredung war vorbei. Sie wollte nicht mehr daran zurückdenken. Connies Stimme erschien ihr wie eine besänftigende Hand. Connie ließ sich nicht täuschen.
»Erzähle weiter, Susy.«
»Ja, erzählen Sie weiter«, bat auch Luise.
»Nun, Fräulein Matthes war sehr anständig. Sie glaubte mir, als ich ihr erzählte, daß ich den Hausarzt zufällig getroffen hätte. Auch zweifelte sie nicht an meiner Erklärung, daß ich gar nicht an die Krankenhausregel gedacht hätte, als ich mit ihm Tee trank. Übrigens war es tatsächlich so«, fügte sie hinzu. Niemand fragte nach dem Namen des Hausarztes. Susy war den Mädchen dankbar, daß sie ihre Neugier bezähmten. Es war besser, Dr. Barry nicht in den Krankenhausklatsch hineinzuziehen. Etwas munterer fuhr sie fort:
»Ich versprach ihr, in Zukunft ein artiges Kind zu sein, und sie verlangte von mir, daß ich mir Mühe geben sollte. Das war das ganze Ergebnis unserer Unterredung, die mir um ein Haar einen Nervenzusammenbruch eingebracht hätte.«
»Ich finde, Sie nehmen diese ernste Angelegenheit sehr leicht«, sagte Luise rügend. »Sie scheinen sich nicht klar darüber
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