Suzannah und der Bodyguard
bevor ihm einfiel, dass er gar keine bei sich hatte. Er war nicht im Dienst. Im Verbandskasten seines Wagens lag ein Paar, aber er würde sich nicht extra die Mühe machen. Schließlich war das keine Ermittlung.
Zumindest keine genehmigte.
Er schnitt eine Grimasse und griff mit der Hand nach dem hübsch eingewickelten Strauß.
Das Papier des Blumenhändlers schien unberührt und sah aus, als hätte sie den Strauß gar nicht erst ausgepackt.
Vorsichtig zog er das Papier auseinander. Dann ließ er den Strauß wieder in den Container zurückfallen.
Was zum Teufel! Langstielige rote Rosen. Oder etwas, das vermutlich mal rote Rosen gewesen waren. Jetzt waren sie eher braun als rot. Rostbraun wie getrocknetes Blut. Verwelkt und tot. Ungefähr ein Dutzend davon.
Seine Gedanken rasten. Woher hatte sie das gewusst? Sie hatte nicht mal einen Blick auf den Strauß geworfen.
Weil es offensichtlich nicht das erste Mal war.
Weil er in ihren Wagen gelegt worden war, direkt auf dem Parkplatz für Anwälte, während sie im Gerichtsgebäude Leo Warren verteidigte. Unter den Augen des Parkplatzwächters. Und obwohl ihr Wagen vermutlich abgeschlossen gewesen war.
Kein Wunder, dass sie sich so erschreckt hatte.
Er nahm den Strauß wieder heraus und untersuchte ihn. Keine Karte. Was für eine Überraschung, Sherlock.
Warum hat sie nichts gesagt? Sie wusste doch, dass er Polizist ist.
Sie kennt ihn . Die Antwort sprang ihn förmlich an. Mit Sicherheit. Sie kennt ihn und will keine Anzeige erstatten, um den Idioten, der hierfür verantwortlich war, nicht in Schwierigkeiten zu bringen und ihn dadurch noch wütender zu machen. Wie oft hatte er diesen uralten Mechanismus schon erlebt?
Nur dass er dies ausgerechnet von ihr nicht erwartet hätte. Sie war viel eher der Kämpfertyp. Was ging nur in ihrem Kopf vor?
Quigg warf den Strauß zurück in den Container und schloss den Deckel. Er stieg wieder in seinen Taurus und saß eine ganze Weile einfach nur da.
Er sollte es auf sich beruhen lassen. Das wusste er.
Er wusste auch, dass er exakt das nicht tun würde.
„Genau so gehen Karrieren den Bach runter, du Blödmann.“
Aber sie hatte ihn John genannt. Dort vor dem Gerichtsgebäude hatte sie ihn mit seinem Vornamen angesprochen. Niemand sonst nannte ihn John, abgesehen von seiner Mutter. Es hieß immer nur Quigg oder Detective Quigley , vielleicht noch Officer oder auch mal He, Bulle . Aber während sie mit ihrem Zeigefinger kleine Kreise auf seine Brust gemalt hatte, hatte sie ihn John genannt.
Er unterdrückte einen Seufzer, ließ den Motor an und legte den Gang ein.
KAPITEL 2
Jetzt reichte es aber wirklich.
Suzannah stellte die Champagnerflöte mit so viel Nachdruck ab, dass sofort ein Kellner herbeieilte, um sich davon zu überzeugen, dass weder das edle Waterford-Glas noch das Chippendale-Sideboard Schaden genommen hatten.
John Quigley. Nicht genug, dass er auf dieser exklusiven Feier zum New Brunswick Day erschien. Jetzt stand er da unter dem Kronleuchter und flirtete schamlos mit der Vizegouverneurin.
Mein Gott, sah er gut aus, wenn er so lächelte.
Auch sonst machte er eine recht passable Figur. Nicht unbedingt attraktiv – das wäre etwas zu weit her geholt. Dazu war sein Gesicht zu kantig. Und seine Kleidung wirkte immer etwas … unordentlich.
Sie betrachtete ihn im hellen Licht des Kronleuchters. Sein kurz geschnittenes Haar mit einem Farbton irgendwo zwischen Braun und Blond hatte er aus der hohen Stirn nach hinten gekämmt. Ein erster Ansatz von Geheimratsecken war zu erkennen, der sein maskulines Gesicht mit den markanten Wangenknochen ihrer Meinung nach nur umso mehr zur Geltung brachte. Die Augen mehr grau als blau und die Nase ziemlich gerade. Ein wirklich verführerischer Mund …
Sie presste die Lippen aufeinander, als sie bemerkte, in welche Richtung ihre Gedanken gerade drifteten. Immerhin sah es ganz so aus, als würde dieser Mann sie wie ein Stalker verfolgen, Herrgott noch mal, und sie verlor sich in Fantasien über seinen Mund?
„Noch einen Cocktail, Madam?“
Sie wandte den Blick keine Sekunde von dem Paar unter dem Kronleuchter ab. „Nein, danke. Eigentlich muss ich jetzt gehen.“
„Darf ich Ihnen Ihre Stola bringen?“
Sie schenkte dem Kellner ein Lächeln. „Vielen Dank.“ Sie fischte die Garderobenmarke aus ihrer winzigen Abendtasche und überreichte sie ihm. Mit der würdevollen Haltung eines Profis, der auf seine Arbeit stolz ist, verschwand er zwischen den Gästen in
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