Svantevit - historischer Roman (German Edition)
gefährlichsten Feind dieser Tiere – den Menschen. Wollte man diesem unnützen Raubtier schon nicht das Erlegen von Wildtieren gestatten, so lag dessen Gefährlichkeit aber vor allem darin, dass er mit Vorliebe die wertvollen Nutztiere der Menschen aus den Ställen und von den Weiden zu seiner Beute machte. Dies war für die Menschen ein ärgerlicher Verlust und bedeutete daher das Todesurteil für jeden einzelnen Wolf, dem es hin und wieder im Winter gelang, über das Eis die Insel Rügen zu erreichen.
Radik war stolz, dass man ihn und Ferok für diese wichtige Aufgabe mit herangezogen hatte. Ein Wolfsrudel war vor etwa einer Woche im Südwesten der Insel aufgetaut, woraufhin sofort Warnungen von Dorf zu Dorf weitergegeben wurden.
In der letzten Nacht waren die Tiere durch eine massive Holztür in den Stall eines kleinen Gehöftes ganz in der Nähe von Vitt bei Arkona gelangt. Auch ein brennendes Holzfeuer auf dem Hof hat die Wölfe nicht abgehalten. Der Bauer hatte stundenlang im Stall Wache gehalten, dann aber kurz vor Tagesbeginn der aufkommenden Müdigkeit nachgegeben und war ins Haus gegangen, um sich ein wenig hinzulegen. Er war noch gar nicht richtig eingeschlafen, als es plötzlich einen großen Lärm gab und bevor der Bauer mit Fackel und Knüppel bewaffnet heraustreten konnte, waren auch schon zwei Ziegen und eine Gans geraubt worden. Drei Wölfe hatte der Mann gesehen, von denen ihm einer so groß und mächtig vorkam, dass er fast froh war, diesem nicht im Stall oder Hof begegnet zu sein, auch wenn er den Verlust seiner Tiere gern verhindert hätte.
Das Fangen eines Wolfsrudels war nun keine sehr einfache Sache. Hierzu musste gut vorgeplant werden und die Ausführung sollte möglichst rasch vonstatten gehen, um ein Entkommen dieser Tiere, die drohende Gefahren frühzeitig erkannten, zu verhindern. Daher sollte die Jagd zum Teil von Pferden aus erfolgen und hier hatte Ugov auch sofort an Radik und Ferok gedacht und sie, mit einigen älteren und erfahrenen Männern, für diese wichtige und spannende Aufgabe eingeteilt.
Zunächst musste festgestellt werden, wo sich die Tiere aufhielten. Dies war bereits bei einem Rudel schwierig, das ein bestimmtes Revier bewohnte, ungleich komplizierter jedoch bei einer vagabundierenden Gruppe von Wölfen. So war es am besten, den Wölfen eine Falle zu stellen, wenn man auch bei diesen gerissenen Tieren immer damit rechnen musste, dass sie den Hinterhalt witterten.
Es galt zu verhindern, dass die Tiere die Nordspitze der Insel wieder verließen, da hier die Möglichkeiten zu einer Treibjagd am besten waren.
Also erklärte sich Ugov bereit, die Fährten der Tiere zu verfolgen. Hierzu nahm er Radik und Ferok mit. Alle drei folgten auf ihren Pferden den in der Schneedecke gut erkennbaren Spuren, die vom Gutshof des in der Nacht überfallenen Bauern ausgingen. Man erkannte deutlich, dass die kräftigen Raubtiere etwas mit sich geschleift hatten und dennoch in großem Tempo gelaufen waren.
Die Fährte endete in einem Wald, in den die drei Verfolger, soweit es ging, vorsichtig hineinritten. Es war wahrscheinlich, dass die Wölfe beim Anblick der Menschen das Weite suchen würden und gänzlich ausgeschlossen, dass sie einen Angriff wagen könnten, solange sie eine Möglichkeit zur Flucht hatten. Dennoch spürte Radik sein Herz stärker schlagen und merkte auch Ugov die Anspannung an.
Auf einer kleinen Lichtung fanden sie die Überreste der Tierkadaver. Überall lagen sauber abgenagte Knochen herum, vermischt mit Blut, Ziegenhaut und Gänsefedern. Die gehörnten blutigen Ziegenschädel, denen die Augen fehlten, wirkten Angst einflößend.
Die drei Reiter saßen ab und sahen sich um. Hier wimmelte es von Wolfsspuren und immer wieder fiel der Abdruck eines außerordentlich großen Tieres auf.
"Die Wölfe müssen sehr hungrig gewesen sein. Dieses üppige Mahl dürfte ihnen für einige Tage reichen, aber bald werden sie wieder Beute machen müssen. Je größer der Hunger ist, desto unvorsichtiger werden sie", meinte Ugov, während er mit einem Stock in den herumliegenden Knochen stocherte.
Radik und Ferok luden einen Schafbock von einem Pferd.
"Ich glaube, sie sind noch ganz in der Nähe. Weiter nach Norden können sie nicht, es sei denn, sie wollen schwimmen gehen."
Sie schlugen einen Pflock ein und befestigten den Schafsbock mit einem langen Seil daran. Es war ein altes, aber noch recht kräftiges Tier, das sich vor einem Fuchs oder Dachs nicht zu fürchten
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