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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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Dinge nicht mehr beherrscht – Dinge, über die er früher nicht einmal nachdenken musste. In vielerlei Hinsicht ist sein Körper jetzt wie der eines Babys. Er muss viele Sachen ein zweites Mal erlernen, und das kann sehr frustrierend sein. Aber sein Geist ist immer noch wie vor dem Schlag”, fügte sie zur Ermutigung hinzu.
    “Das macht es noch schlimmer. Er ist gefangen. Preston war immer so unabhängig, so entschlossen.”
    “Er ist durch den Schlaganfall kein anderer Mensch geworden!”, erwiderte Kristina. “Er muss diese Entschlossenheit nutzen und hart an sich arbeiten. Es ist noch ein sehr langer Weg. Aber es kann ihm einmal so viel besser gehen!”
    “Er hat sein ganzes Leben sehr hart gearbeitet. Ich kann mich nicht erinnern, dass er jemals einen Tag im Bett verbracht hätte.”
    “Das ist der Mann, den Sie in Erinnerung behalten müssen. Der starke, selbstsichere Mann. Und Sie müssen ihm helfen, sich daran zu erinnern.”
    “Aber wie?”
    “Sprechen Sie mit ihm.”
    “Das tue ich doch seit Wochen! Ich rede die ganze Zeit. Ich fange ja schon an, meine eigene Stimme nicht mehr hören zu können!”
    “Sie sollen nicht
zu
ihm sprechen, sondern
mit
ihm”, beharrte Kristina.
    “Ist das in seinem derzeitigen Zustand nicht vollkommen unmöglich?”
    “Glauben Sie mir, Sie können das”, sagte Kristina rasch, um die Mutlosigkeit zu vertreiben, die sich in Mama Junes Augen abzeichnete.
    Mama June verstand nicht. “Wie soll er denn kommunizieren, wenn er nicht sprechen kann?”
    “Sprechen ist nur ein Weg der Kommunikation. Ich habe Sie mit ihm beobachtet. Woran erkennen Sie, dass er glücklich ist?”
    “An seinen Augen”, antwortete sie ohne zu zögern. “Ich weiß, was er fühlt, wenn ich in seine Augen sehe.”
    “Genau. Und welche anderen Wege gibt es, um ihn zu erreichen?”
    “Sie meinen, abgesehen vom Sprechen?” Mama June überlegte einen Moment und schüttelte dann verwirrt den Kopf.
    “Nun, er kann zum Beispiel riechen”, schlug Kristina vor. “Ein Geruch kann im Nu eine Erinnerung zurückbringen – unerwartet, aber mit aller Macht. Oder Geschmack. Welches Essen könnte ihn an etwas Bestimmtes erinnern? Ein Stück Wassermelone an einem schwülen Sommertag? Heißer Kakao, wenn es draußen regnet? Für mich ist es Zuckerwatte. Sobald ich Zuckerwatte rieche oder schmecke, fühle ich mich wieder wie das kleine Mädchen auf dem Rummel.”
    Mama June musste unwillkürlich lächeln. Eine große Portion rosa Zuckerwatte weckte in ihr genau die gleichen Assoziationen.
    “Denken Sie darüber nach, wie Sie alle Sinne einsetzen können”, fuhr Kristina fort. “Es gibt noch einen, mit dem es am allerbesten funktioniert.”
    Mama June ging im Geist alle Möglichkeiten durch: hören, sehen, riechen, schmecken …
    “Fühlen”, sagte sie.
    “Genau. Man kann eine Menge mitteilen, wenn man jemanden mit der Hand berührt. Damit erreichen Sie eine neue Ebene. Eine höhere Ebene. Überlegen Sie nur, wie viel Bedeutung es haben kann, wenn Sie jemand berührt. Oder eben nicht berührt. Babys blühen auf, wenn sie gehalten und gestreichelt werden, und verkümmern, wenn man sie nicht anfasst. Warum sollte das bei Erwachsenen anders sein? Nur zu, Mrs. Blakely! Sie sind seine Frau. Geben Sie ihm zum Beispiel eine Massage!”
    “Ich habe nicht die blasseste Ahnung von Massagen”, antwortete Mama June und machte eine abwehrende Handbewegung. “Ich wüsste gar nicht, wo man anfängt.”
    “Es muss ja keine richtige Massage sein”, beeilte sich Kristina zu erklären. “Sie könnten für den Anfang seine Übungen mit ihm machen. Und haben Sie keine Angst davor, ihn anzufassen. Sie können ihm nicht wehtun. Im Gegenteil, es wird ihm auf jeden Fall guttun. Das Wichtigste ist, dass Sie sich an ihn erinnern werden, wenn Sie ihn berühren. Wie er wirklich ist. Und wenn Sie das tun, wird auch er sich erinnern.”
    Mama June fasste sich an den Hals. Plötzlich bekam sie Angst. “Das kann ich nicht machen”, sagte sie unsicher.
    “Warum nicht? Sie waren bei den Übungen doch dabei.”
    “Ich kann seine Übungen mit ihm machen, das schon. Aber diese Massage … ihn erinnern … das kann ich nicht. Das ist zu schwer für mich.”
    Kristina legte ihre Hand auf Mama Junes Arm. Sie war erstaunlich warm und wohltuend. “Wir müssen daran denken, was gut für
ihn
ist.”
    Darüber hatte Mama June noch nie nachgedacht. Sie hatte es immer vermieden, an die Vergangenheit zu denken. Denn das war nötig, um

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