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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Miniaturseifen. Sie schloss die Tür zu ihrem Zimmer auf.
    Bei dem es sich zu ihrer großen Erleichterung nicht um eines der beiden Zimmer handelte, in denen sie mit Garreth gewohnt hatte, auch wenn die Aussicht fast identisch war. Es hatte die Größe des Badezimmers im Cabinet, kleiner vielleicht, und war ganz in Dunkelrot und Schwarz und Chinagold gehalten. Die Einrichtung bestand aus einigen eigenartigen Chinoiserien, die die Raumgestalter des Cabinet mit Büsten von Mao und Plakaten von heroischen Proletariern überladen hätten. Es kam ihr sonderbar vor, nicht im Cabinet zu sein, und das schien ihr ein schlechtes Zeichen.
    Ich sollte mir eine Wohnung suchen, sagte sie sich, und dabei wurde ihr bewusst, dass sie keine Ahnung hatte, in welchem Land sie diese suchen sollte, geschweige denn in welcher Stadt. Sie legte ihren Koffer auf das Bett. Hier war kaum genug Platz, um herumzulaufen, mit Ausnahme eines schmalen Pfades am Bett entlang. Sie duckte sich automatisch unter dem absichtlich nichtdigitalen Fernseher hindurch, der an einer weiß lackierten Halterung an der Decke hing. Garreth hatte sich an so einem den Kopf angeschlagen.
    Sie seufzte.
    Blickte zu den Häusern auf der anderen Straßenseite hinüber und versank in Erinnerungen.
    Tu's nicht! Sie wandte sich wieder dem Bett und ihrem Koffer zu und öffnete den Reißverschluss. Sie hatte so wenig eingepackt wie möglich. Ihren Kulturbeutel, das Make-up, ein Kleid, Strumpfhosen, die eleganten Schuhe, Unterwäsche. Als sie das Kleid herausnahm, um es aufzuhängen, entdeckte sie die Blue-Ant-Figurine, die sie, da war sie sich sicher, nicht eingepackt hatte; sie grinste keck zu ihr hoch. Sie hatte sich noch gewundert, dass sie im Cabinet nicht auf der Ablage neben dem Waschbecken gestanden hatte.
    »Hallo«, sagte sie und nahm sie in die Hand; sie erschrak darüber, wie angespannt ihre Stimme klang.
    Aus ihrem Grinsen wurde das Lächeln der Mona Lisa, und plötzlich stand sie neben Garreth, ihre Hand in der seinen.
    Als sie zu ihm hochblickte, sah sie, dass er gar nicht die Mona Lisa betrachtete, sondern den Plexiglasschirm, die Aufhängung und was ihm sonst noch an unsichtbaren Sicherheitsvorrichtungen auffallen mochte.
    »Du stellst dir gerade vor, sie zu stehlen, habe ich recht?«
    »Nur ganz theoretisch. Der laminierte Sims direkt darunter? Der ist interessant. Da wüsste ich gerne, was sich da drin versteckt. Ziemlich breit, findest du nicht auch? Gut dreißig Zentimeter. Da verbirgt sich was. Bestimmt eine Überraschung.«
    »Du bist furchtbar!«
    »Allerdings!«, sagte er, ließ ihre Hand los und streichelte ihren Nacken. »Das bin ich.«
    Sie stellte die Figurine auf den eingebauten Nachttisch, der viel kleiner war als der Sims unterhalb der Mona Lisa, und zwang sich, den Rest ihrer Sachen auszupacken.

28. Weißer Birnentee
    Der Preis für WLAN war weißer Birnentee.
    Milgrim betrachtete das zwei Tassen fassende gläserne Teefilterkännchen, das auf dem runden weißen Tisch hinter dem Aluminiumrechteck von Hollis' Laptop stand. Er war sich nicht sicher, warum er sich für weiße Birne entschieden hatte. Wahrscheinlich weil er nicht so gerne Tee trank und weil fast alles hier weiß war. Er beschloss, den Tee noch eine Weile ziehen zu lassen.
    Er war allein in dem schmalen weißen Geschäft, zusammen mit einer Vielzahl von Teesorten und einer jungen Frau in einem gut sitzenden, frisch gestärkten grauen Baumwollkleid mit blassen Nadelstreifen, das einem Tenniskleid ähnelte. Er hätte nicht gedacht, dass die Pariser Teetrinker waren, aber wenn dieser Laden repräsentativ war, tranken sie ihn offenbar am liebsten aus zerbrechlichen Glaskannen. Die Wände wurden von schmalen weißen Regalen gesäumt, in denen sich modernistische Apothekergläser mit getrockneten Pflanzen befanden und ein glitzerndes, von Halogenstrahlern beleuchtetes Sortiment an Kannen und Filtern. Ergänzt wurde das Ganze durch ebenso minimalistische Teekannenwärmer aus einem dicken grauen Filzstoff. Ein paar Grünpflanzen. Drei kleine Tische, jeder mit zwei Stühlen.
    Von draußen drang hin und wieder das Knattern vorbeifahrender Mopeds herein. Die Straße war beinahe zu schmal für Autos. Er befand sich irgendwo im Quartier Latin, wenn der Taxifahrer ihn richtig verstanden hatte.
    Die junge Frau begann, die Apothekergläser mit einem Staubwedel zu bearbeiten. Das Ganze erinnerte ihn an Performance Art oder eine hochgradig abstrakte Form von Pornographie. In der es hauptsächlich um

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