Talitha Running Horse
Adena wieder im Hells Canyon sein würden. Aber Della und die Mädchen konnten nur mitfahren, weil ich Tom versprochen hatte, ein Auge auf die Pferde zu haben und mich um sie zu kümmern. Er hatte mir seine Handynummer gegeben und mich gebeten, ihn anzurufen, wenn etwas sein sollte.
Ich war stolz darauf, dass Tom mir die Tiere anvertraute, und es tröstete mich darüber hinweg, dass ich Neil und Leo nicht beistehen konnte, während sie tanzten.
Natürlich dachte ich auch an meinen Vater und daran, dass er nicht tanzen konnte, obwohl er sich verpflichtet hatte. Es würde eine schwere Zeit für ihn sein.
Die Thunderhawks waren schon seit drei Tagen fort, als ich mit Stormy eines Nachmittags in die Hügel ritt. Später verbrachten wir einige Zeit am See; ich zeichnete Stormy, wie sie trank und graste, und träumte vor mich hin. Stellte mir vor, das Haus, das Dad für uns beide bauen wollte, würde hier stehen, am Ufer des Sees. Ich wollte gerne hier leben, am Rande des Kiefernwäldchens, umgeben von grasbewachsenen Bergen.
Aber es führte kein Weg zum See. Der Fahrweg endete an der alten Hütte, in einem Tal, das eine halbe Meile entfernt lag. Solange der Boden trocken war, war das kein Problem, aber wenn es geregnet hatte, dann verwandelte sich der Lehm auf der Fahrspur in »Gumbo«, und man kam nicht mal mit Allradantrieb voran. Und im Winter, wenn hoher Schnee lag, war es vollkommen aussichtslos.
Das Wasser des Sees war zu warm, um erfrischend zu sein. Aber bevor ich wieder aufbrach, ging ich doch hinein, schwamm ein paar Züge und lieà mich treiben. Ãber mir, im wolkenlosen blauen Himmel kreisten die groÃen schwarzen Vögel. Vielleicht hatte ein Kojote das Kalb eines Gabelbocks gerissen, und nun warteten sie darauf, dass sie etwas von seinem Mahl abbekamen.
Stormy stand am Ufer mit wachsam erhobenen Kopf, irgendetwas schien sie zu beunruhigen. Vielleicht waren es die schwarzen Vögel, die ihr unheimlich waren.
Ich schwamm ans Ufer und stieg aus dem Wasser. Stormy schnaubte und scharrte mit den Hufen im Schlamm, schlug aufgeregt mit dem Schweif.
»Schon gut«, beruhigte ich sie, »die alten Aasfresser tun uns nichts. Keine Sorge.«
Als ich zu meinen Sachen wollte, die weiter oben im Gras lagen, versperrte mir Stormy immer wieder den Weg. »Was hast du denn?«, fragte ich sie lachend. »Ich will mich doch nur anziehen.«
Ich bückte mich nach meinem T-Shirt, wollte es aufheben â da fuhr eine Klapperschlange darunter hervor. Stormy gab mir im selben Augenblick mit dem Kopf einen kräftigen Stoà gegen die Schulter, sodass ich rückwärts ins Gras fiel. Dann prüfte sie witternd, ob die Schlange noch da war â und in diesem Augenblick schnellte das Reptil hoch.
Ich schrie. Stormy wieherte und stieg. Ihre Vorderhufe trafen die Klapperschlange, die sich davonmachen wollte. Immer wieder bäumte Stormy sich auf, lieà ihre Hufe auf die Schlange fallen und stampfte die Ãberreste ihres Körpers ins Gras.
Nach dem ersten Schrecken rappelte ich mich auf und versuchte, Stormy am Zaumzeug zu erwischen, um sie festhalten und beruhigen zu können. Ich sah, dass sie an den Nüstern blutete. Die Klapperschlange hatte sie gebissen.
Stormy schrie vor Schmerz, und ich geriet in Panik. Wenn ein Pferd ins Maul gebissen wird, schwellen seine Nüstern sehr schnell zu, und dann besteht die Gefahr des Erstickens. Das wusste ich von Tom.
Bis zu Tante Charlenes Haus waren es ungefähr drei Meilen. Ich bräuchte zu Fuà mindestens eine Stunde, selbst wenn ich rennen würde. Und dann war ja keineswegs sicher, dass der Tierarzt gleich kommen konnte. Stormys Nüstern würden zuschwellen und sie müsste ersticken â denn Pferde können nicht durch ihr Maul atmen.
Die Stute strebte in den See und steckte das Maul ins Wasser, was ihr etwas Linderung verschaffte. Oben, am strahlend blauen Himmel, kreisten immer noch die Truthahngeier, die groÃen Aasvögel. Ich schlüpfte in meine Kleider und überlegte fieberhaft, wie ich Stormy vor dem Ersticken retten konnte.
Die Stute kam ans Ufer und ich sah, dass ihre Beine zitterten. Ihr Maul war bereits stark angeschwollen und mir wurde klar, dass sie jämmerlich sterben würde, wenn ich jetzt nicht handelte.
Von Tom hatte ich gehört, dass man ein Pferd, das von einer Klapperschlange in die Nase gebissen worden war, retten konnte, indem man ihm die
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