Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
die Lippen – und diesmal blies er zweimal.
Die Schlachtrufe der Peloi waren schrill und auf- und abschwellend. Sperber schaute rasch die Straße entlang. Die Krieger, auf die sich Krings Peloi stürzten, waren nicht die gleichen wie jene, welche die Ritter sich vorgenommen hatten. Sperber hatte einen Sturm gegen Fußsoldaten in Harnischen und Helmen mit Roßhaarbüscheln geführt. Kring dagegen griff Berittene an, Männer in wallenden Gewändern und um den Kopf gewickelten Stoffstreifen, bewaffnet mit Krummschwertern ähnlich den Säbeln der Peloi. Ganz offensichtlich stammte das feindliche Heer aus zwei verschiedenen Kulturen. Doch über diese Unterschiede konnten sie sich später Gedanken machen; im Augenblick waren sie alle viel zu sehr mit dem Kampf beschäftigt.
Sperber schmetterte sein schweres Breitschwert in gleichmäßigen Hieben auf roßhaarverzierte Helme. Nach mehreren Minuten verriet ihm der Lärm von der Straße her, daß die Peloi sich ins Getümmel gestürzt hatten. »Ulath!« brüllte Sperber. »Das Zeichen für die Ataner!«
Wieder schmetterte das Ogerhorn – einmal, zweimal, dreimal.
Kampflärm brach zwischen den Bäumen aus. Gegnerische Soldaten, die vor dem Ansturm der Ritter und dem Angriff der Peloi geflohen waren, fanden keine Zuflucht im Wald. Engessas Ataner bewegten sich lautlos und todbringend durch das unheimliche vielfarbige Licht, das vom pulsierenden Himmel herabstrahlte.
»Sperber!« brüllte Kalten. »Paß auf!«
Sperber riß den Kopf herum, und eine eisige Hand legte sich um sein Herz.
»Ich dachte, dieser Dämon wäre tot!« entfuhr es Kalten.
Die Gestalt in schwarzem Gewand mit Kapuze ritt auf einem hageren Gaul. Ein grünliches Schimmern ging von ihr aus, wie auch eine fast greifbare Woge unversöhnlichen Hasses. Sperber blickte die Gestalt eingehender an; dann stieß er erleichtert den Atem aus. »Es ist kein Sucher«, beruhigte er Kalten. »Es hat menschliche Hände. Aber wahrscheinlich ist es der, gegen den wir gekämpft haben.«
Da ritt ein weiterer Mann in Schwarz zwischen den Bäumen hervor. Er war effekthascherisch gekleidet; unter einem breitkrempigen schwarzen Hut hatte er sich einen schwarzen Beutel mit ungleichen Augenlöchern über den Kopf gezogen.
»Ist das ein schlechter Witz?« fragte Tynian heftig. »Ist der Kerl wirklich der, für den ich ihn halte?«
»Ich vermute, der im schwarzen Gewand ist der Anführer«, sagte Ulath. »Säbel könnte nicht einmal mit einer Herde Ziegen fertig werden.«
»Erfreue dich deines bedeutungslosen Sieges, Anakha«, rief der Schwarzvermummte mit hohler, eigenartig metallisch klingender Stimme. »Ich habe dich nur auf die Probe gestellt, um deine Stärken zu erfahren – und deine Schwächen. Zieh jetzt deines Weges. Ich weiß nun, was ich wissen mußte. Ich werde dich jetzt in Ruhe lassen – vorläufig. Aber täusche dich nicht, Mann ohne Bestimmung! Wir sehen uns wieder, und bei unserer nächsten Begegnung werde ich dich eingehender prüfen.« Dann verschwammen Säbel und sein vermummter Begleiter und verschwanden.
Das Ächzen, Stöhnen und Wimmern der verwundeten Feinde ringsum verstummte urplötzlich. Sperber schaute sich rasch um. Die Fußsoldaten in den altertümlichen Rüstungen, gegen die er und seine Freunde gekämpft hatten, waren ebenfalls verschwunden. Nur die Toten waren zurückgeblieben.
In beiden Richtungen entlang der Straße zügelten Krings Peloi verblüfft ihre Pferde. Die Feinde, gegen die sie gekämpft hatten, waren nicht mehr, und die überraschten Ausrufe unter den Bäumen deuteten darauf hin, daß auch die Ataner plötzlich keinem Feind mehr gegenüberstanden.
»Was geht hier vor?« fragte Kalten.
»Ich bin nicht ganz sicher«, antwortete Sperber, »aber es gefällt mir ganz und gar nicht.« Er saß ab und drehte einen der gefallenen Feinde mit dem Fuß auf den Rücken.
Der Tote war völlig ausgetrocknet, braun verfärbt und geschrumpft. Er sah aus wie die Leiche eines Menschen, der seit Jahrhunderten tot war.
»Das ist uns nicht zum erstenmal passiert, Eminenz«, erklärte Tynian dem Patriarchen Emban. Es war fast Morgen, und sie hatten sich wieder auf der Hügelkuppe versammelt. »Letztes Mal waren es Lamorker aus der Vergangenheit. Woher diese hier stammen, weiß ich nicht.« Er betrachtete die zwei mumifizierten Leichen, die von Atanern auf den Hügel gebracht worden waren.
»Der da ist ein Cynesganer.« Botschafter Oscagne deutete auf einen der Toten.
»Sieht fast wie ein Rendorer
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