Tamuli 1 - Die schimmernde Stadt
ist.«
»Was spielt das schon für eine Rolle?« Ehlanas Gesicht war noch bleicher als sonst. Das ferne Brüllen der Trolle im Wald hatte sie offensichtlich erschreckt.
»Es könnte sehr wichtig sein«, antwortete Sperber. »Wenn ihr dort seid, soll Talen sich gründlich in der Höhle umschauen. Falls sie tief genug in den Berg reicht oder sich verzweigt, könnt ihr euch um so besser darin verstecken. Sephrenia begleitet euch. Sie kann den Eingang versperren und Abzweigungen verbergen, damit die Trolle euch nicht finden können, falls es ihnen gelingt, an uns vorbei zu kommen.«
»Warum verstecken wir uns nicht alle in der Höhle? Du und Sephrenia, ihr könnt den Eingang mit Magie verschließen. Dann warten wir einfach ab, bis die Trolle die Lust verlieren und verschwinden.«
»Kring meint, daß die Höhle nicht groß genug ist. Seine Männer suchen nach einer anderen, doch die Zeit drängt. Falls wir ein besseres Versteck finden, ändern wir den Plan. Fürs erste ist die Höhle das Beste, was wir haben. Du begibst dich mit den anderen Damen sowie Patriarch Emban, Botschafter Oscagne und Talen hinein. Berit und acht bis zehn weitere Ritter werden den Höhleneingang bewachen. Bitte, widersprich nicht, Ehlana. Dies ist eine der Situationen, da ich die Entscheidungen treffe. Du hast dich in Chyrellos damit einverstanden erklärt.«
»Er hat recht, Majestät«, warf Emban ein. »Wir brauchen jetzt einen General, keine Königin.«
»Falle ich euch zur Last, meine Herren?« fragte Ehlana spitz.
»Nicht im geringsten, Majestät« entgegnete Stragen galant. »Eure Anwesenheit spornt uns an. Wir werden Euer Herz mit unserer Tüchtigkeit und unserem Heldenmut erfreuen.«
»Am meisten könnten die Trolle mein Herz erfreuen, indem sie wieder verschwinden«, sagte Ehlana besorgt.
»Wir könnten ihnen diese Botschaft zukommen lassen«, meinte Sperber, »aber Trolle sind sehr schwer zu überreden – schon gar, wenn sie Hunger haben.« Obwohl die Lage ernst war, machte Sperber sich keine allzu großen Sorgen um die Sicherheit seiner Gemahlin, denn Sephrenia war da, um sie zu beschützen. Und sollte die Situation tatsächlich bedrohlich werden, konnte auch Aphrael eingreifen. Sie würde niemals zulassen, daß ihrer Mutter etwas zustieß, selbst wenn sie dafür ihre göttliche Natur preisgeben müßte.
Die Schlucht hatte ihre Nachteile, daran bestand kein Zweifel. Der offensichtlichste war der, auf den Kalten hingewiesen hatte. Wenn die Trolle den Schluchtrand über ihnen erklommen, wurde ihre Stellung unhaltbar. Kalten betonte dies wortreich, und »ich habe es euch ja gleich gesagt« kam in seinem Redeschwall immer wieder vor.
»Ich glaube, du überschätzt die Klugheit der Trolle«, widersprach ihm Ulath. »Sie werden mit Gebrüll auf uns einstürmen; denn wir sind keine Feinde für sie, sondern Futter, und das ist ihnen wichtiger als ein militärischer Sieg.«
»Du verstehst es heute wirklich, uns aufzumuntern, Ulath«, sagte Tynian. »Was meinst du, wie viele Trolle werden es sein?«
Ulath zuckte die Schultern. »Schwer zu sagen. Ich habe zehn verschiedene Stimmen gezählt – wahrscheinlich die der Familienoberhäupter. Das dürfte bedeuten, daß sich da draußen mindestens hundert herumtreiben.«
»Könnte schlimmer sein«, meinte Kalten.
»Aber nicht viel«, widersprach Ulath. »Hundert Trolle hätten selbst Warguns Armee in ernste Schwierigkeiten bringen können.«
Bevier, ihr Fachmann für Verteidigungsstellungen, hatte sich in der Schlucht umgesehen. »Im Bachbett sind genügend Steine und Felsbrocken für eine Brustwehr, und es gibt ein wahres Dickicht von Schößlingen, die sich als Pfähle verwenden lassen. Ulath, was meinst du, wie lange es noch dauert, bis sie angreifen?«
Ulath kratzte sich am Kinn. »Daß wir angehalten haben, verschafft uns ein bißchen mehr Zeit«, überlegte er laut. »Wären wir weitergezogen, hätten sie wahrscheinlich sofort angegriffen. Aber jetzt werden sie wohl erst einmal alle zusammentrommeln, die in der Nähe sind. Übrigens solltest du deine Verteidigungsmaßnahmen überdenken, Bevier. Trolle haben keine Bogen, somit ist eine Brustwehr unnötig. Sie würde uns mehr behindern als die Trolle. Unser Vorteil sind die Pferde – und unsere Lanzen. Man soll sich einen Troll so weit wie möglich vom Leibe halten. Gut zugespitzte Pfähle allerdings sind hilfreich. Ein Troll nimmt stets den kürzesten Weg, um an etwas heranzukommen, das er haben will – in diesem Fall uns. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher