Tanz der Hexen
seine Stimme, meine Stimme, wie sie von der hohen Steindecke widerhallte. Wie kann ich dieses Ding sein, St. Ashlar! Und das spröde, leuchtende Glas gab keine Antwort. Es tat, was Bilder immer tun – es blieb unverändert.
Schwärze.
Als ich am Morgen in der Burgruine erwachte, waren Führer aus Darkirk gekommen, um mich zu suchen. Sie hatten etwas zu essen und zu trinken mitgebracht, Wolldecken und ein frisches Pferd. Man hatte Angst um mich gehabt, denn mein Reittier war allein nach Hause zurückgekehrt.
In der morgendlichen Pracht sah das Tal unschuldig und lieblich aus. Gern hätte ich mich hingelegt und geschlafen, aber leider konnte ich das erst wieder im Gasthaus zu Darkirk, und dort schlief ich zwei Tage lang immer wieder; ich hatte wohl ein bißchen Fieber, aber vor allem ruhte ich mich aus.
Als ich nach Edinburgh zurückkehrte, war Mary Beth in Panik. Sie hatte gedacht, ich sei für immer verschwunden. Sie hatte Lasher beschuldigt, mir etwas angetan zu haben, und er hatte geweint.
Ich bat sie, sich zu mir ans Feuer zu setzen, und dann erzählte ich ihr alles. Ich erzählte ihr die Geschichte des Ortes und des Heiligen, und was sie zu bedeuten hatte. Und ich erzählte ihr noch einmal von den Erinnerungen.
»Du mußt bis ans Ende deiner Tage stärker sein als dieses Ding«, sagte ich. »Du darfst nie zulassen, daß es die Oberhand gewinnt. Es kann töten, es kann herrschen! Es kann zerstören. Es will leben, ja, und es ist verbittert, denn es ist nicht etwa ein Ding von transzendenter Weisheit, sondern es steht unter Gott, weißt du, es ist erfüllt von Schwärze und von absoluter Verzweiflung, denn es ist besiegt worden!«
»Aye, es leidet«, sagte sie. »Das ist das Wort dafür. Aber Julien, du hast ja alle Geduld verloren. Du kannst ihm nicht weiter diese Gegnerschaft entgegenbringen. Du mußt dieses Wesen von nun an ganz und gar mir überlassen.«
Sie erhob sich und begann, mit ruhiger Stimme und sparsamen Gesten zu deklamieren, wie es ihre Art war.
»Ich werde dieses Wesen benutzen, um unsere Familie reicher zu machen, als du es dir in deinen kühnsten Träumen vorstellen kannst. Ich werde einen Clan formen, der so groß ist, daß keine Revolution, kein Krieg, kein Aufstand ihn jemals wird vernichten können. Ich werde unsere Verwandten zusammenführen, sooft ich kann, werde sie ermuntern, untereinander zu heiraten, und dafür sorgen, daß der Familienname von allen getragen wird, die zu uns gehören wollen. Ich werde in der Familie triumphieren, Julien, und das versteht es. Das kennt es. Das will es. Es gibt keinen Krieg zwischen uns.«
»Ach ja?« fragte ich. »Hat es dir denn gesagt, was ich als nächstes für es tun soll? Daß ich mit dir eine Hexe zeugen soll?« Ich zitterte vor Angst und Wut.
Sie lächelte mich auf ihre sanfte, beschwichtigende und ruhige Art an, und dann streichelte sie mein Gesicht. »Nun, sei ehrlich – wenn der Augenblick kommt, wird es denn dann so schwer sein, mein Liebling?«
Und jetzt lassen Sie mich meine Geschichte zu Ende bringen; ich will Ihnen rasch von diesen letzten Jahren erzählen und von einer letzten kleinen Erkenntnis, die ich erlangen konnte und mit der Sie nun gewappnet werden müssen. Es ist nicht viel – nur etwas, das Sie vermutlich ohnedies schon vermuten: daß Sie auf niemanden vertrauen dürfen, wenn es gilt, dieses Wesen zu vernichten, auf niemanden außer sich selbst. Und zerstören müssen Sie Lasher. Jetzt ist er im Fleisch. Er kann getötet werden, man kann ihn austreiben – und wo er dann hingeht und wann er zurückkehrt, wer weiß das außer Gott? Aber hier können Sie seiner Tyrannei ein Ende machen, ein Ende dem Grauen, das er verbreitet.
Als ich wieder zu Hause war, drängte ich Mary Beth zur Heirat mit Daniel McIntyre, einem meiner eigenen Liebhaber und einem Mann von großem Charme, den sie auch mochte; aber Lasher stachelte mich immer weiter an, mich mit ihr zu paaren. Ihr erstes Kind von Daniel war ein eigenwilliges und grimmiges kleines Mädchen, das den Namen Carlotta erhielt. Sie war von Anfang an von strenger katholischer Gesinnung; es war, als hätten die Engel gleich bei der Geburt Anspruch auf sie erhoben. Ich wollte, sie hätten sie geradewegs in den Himmel geholt. Und Lasher bedrängte mich immerfort, eine neue Tochter zu zeugen.
Aber wir lebten in einem neuen Zeitalter. Im modernen Zeitalter. Sie können sich nicht vorstellen, was für Auswirkungen die Veränderungen ringsumher hatten. Und Mary Beth war
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