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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sein wie der Hl. Paulus nach seiner Vision auf der Straße nach Damaskus? Ist Ihnen klar, daß ich der einzige von uns bin, der dieses Wesen gesehen und mit ihm gesprochen hat?« Er lachte bitter auf. »Gifford, Edith, Alicia… ich erinnere mich nicht mal mehr an ihre Namen. Alle tot. Und Rowan ist jetzt stumm wie Deirdre. Aber ich bin nicht tot. Ich bin nicht stumm. Ich weiß, wie er aussieht. Ich weiß, wie seine Stimme klingt. Und zu mir ist Julien gekommen. Ich schätze, ich habe in der Tat die Überzeugung eines Bekehrten. Vielleicht auch nur die Überzeugung eines Heiligen.«
    Er griff in seine Jackentasche und holte das Medaillon hervor, das Ryan ihm gebracht hatte und das Gifford am Weihnachtstag neben dem Pool gefunden hatte. »Das haben Sie mir gegeben, erinnern Sie sich?« sagte er zu Aaron. »Wie ist es wohl, wenn St. Michael seinen Dreizack in den Dämon stößt? Zappelt der Dämon? Schreit er nach seiner Mutter? Muß schwer sein, St. Michael zu sein. Diesmal will ich es herausfinden.«
    »Julien war also sein Feind? Dessen sind Sie sicher?«
    Michael seufzte. Er sollte eigentlich wieder hinaufgehen. »Was würden die Schwestern tun, wenn ich mich einfach zu ihr ins Bett legte? Was würden sie machen, wenn ich mich an sie kuscheln und sie in meine Arme nehmen würde?«
    »Dies ist Ihr Haus«, meinte Aaron. »Legen Sie sich zu ihr, wenn Sie möchten. Sagen Sie den Schwestern, sie sollen sich vor die Tür setzen.«
    Michael schüttelte den Kopf. »Wenn ich nur wüßte, daß sie mich bei sich haben will. Wenn ich nur wüßte, ob sie überhaupt irgend etwas will.«
    Er überlegte lange.
    »Aaron«, sagte er dann, »wenn Sie Lasher wären, wo wären Sie dann jetzt? Was würden Sie tun?«
    Aaron schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Michael. Aber erzählen Sie mir, warum Julien so sicher war, daß Lasher böse ist. Erzählen Sie mir, was Julien wußte.«
    »Julien hat seinen Ursprüngen nachgespürt. Er war in Donnelaith, um die Ruinen zu untersuchen. Aber nicht der berühmte Steinkreis hat ihn interessiert, sondern die Kathedrale. Ein Heiliger namens Ashlar, ein früher Heiliger aus den Highlands. Das Wesen hatte etwas mit den Zeiten des Katholikentums oben im Glen zu tun. Etwas mit diesem Heiligen.«
    »Ashlar. Ich kenne die Geschichte von St. Ashlar«, sagte Aaron leise. »Sie steht in den lateinischen Akten im Archiv. Ich erinnere mich, daß ich sie gelesen habe, aber nicht im Zusammenhang mit diesem Fall. Oh, wenn sie Yuri doch nur nicht aus dem Computer ausgesperrt hätten. Was hat Lasher mit diesem Heiligen zu tun?«
    »Das hat Julien nie herausbekommen. Erst dachte er, das Wesen sei der Heilige selbst – ein rachsüchtiger Geist. Aber so einfach war es nicht.« Er schwieg einen Moment lang. »Was wissen Sie über Ashlar?«
    »Eine alte schottische Legende. Höchst heidnische Geschichte, genau gesagt. Michael, warum haben Sie mir das alles nicht erzählt?«
    »Ich erzähle es Ihnen ja, Aaron, aber eigentlich ist es nicht so wichtig. Ich werde das Wesen töten. Wir können Licht in seine Vergangenheit bringen, wenn es tot ist. Was wissen Sie also über Ashlar, den schottischen Heiligen?«
    »Ah… es geht wohl darum, daß der Heilige alle paar hundert Jahre zurückkehrt. Das steht hier und da in Büchern. Aber mir war nie klar, daß es etwas mit Donnelaith zu tun hat. Da haben Sie gleich noch ein Geheimnis. Warum stand nichts davon in den Akten? Wir legen stets Querverweise an. Wir arbeiten so sorgfältig. Aber nie habe ich im Zusammenhang mit Donnelaith derartige Legenden erwähnt gefunden. Ich habe immer angenommen, es gebe da kein relevantes Material.«
    »Aber was für eine Geschichte haben Sie gehört?«
    »Der Heilige hatte besondere körperliche Eigenschaften. Von Zeit zu Zeit wurde jemand mit diesen Eigenschaften geboren, und dann erklärte man ihn zur Reinkarnation des Heiligen. Er war der neue Heilige. Alles sehr heidnisch, das Ganze. Nichts Christliches dabei. Wer für die christliche Kirche heilig ist, der ist im Himmel und fährt nicht in neues Fleisch.«
    Michael nickte. Lachte leise.
    »Schreiben Sie es für mich nieder«, sagte Aaron. »Alles, was Julien Ihnen erzählt hat. Sie müssen es tun.«
    »Ich werde es auch tun; aber denken Sie an das, was ich gesagt habe. Julien hatte mir nur eines mitzuteilen. Ich soll das Wesen töten. Nicht ›mich dafür interessieren‹, sondern es vernichten.« Michael seufzte. »Ich hätte es Weihnachten tun sollen. Ich hätte es töten sollen.

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