Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
Erinnerungen und die Worte dieses Mannes?
    »Vor ein paar Nächten in Florenz hast du vier Frauen den Tod gebracht«, sagte er. »Das war der endgültige Beweis.«
    »O Gott, dann weißt du es. Es ist wahr.« Ich begann zu weinen. »Aber wie habe ich sie getötet? Warum sind sie gestorben? Ich habe nur getan, was andere Männer auch tun.«
    »Du wirst jeder Frau, die du anrührst, den Tod bringen. Hat man dir das denn nicht gesagt, ehe du das Glen verließest? Ach, die Narren, die dich fortgeschickt haben! Und dabei haben wir Jahr um Jahr gewacht und gewartet, daß du kommst. Sie hätten nach uns schicken sollen. Sie wissen, wer wir sind und daß wir Gold für dich bezahlt hätten, Gold – aber sie sind stur.«
    Ich war entsetzt. »Du sprichst von mir, als wäre ich ein Gegenstand. Ich bin meines Vaters Sohn.«
    Er rang weiter besorgt die Hände und beschwor mich, ihn zu verstehen.
    »Wieder und wieder haben unsere Abgesandten es ihnen gesagt, aber sie waren abergläubisch und blind.«
    »Abgesandte? Von wem? Vom Teufel!« Wieder starrte ich ihn an, diesen Mann mit dem schwarzen Pferd. »Und wer ist blind? Lieber Gott im Himmel, schenke mir die Gnade, das alles zu verstehen und gegen die kunstfertigen Lügen des großen Täuschers zu kämpfen! Du hörst jetzt entweder auf, in Rätseln zu sprechen, oder ich werde dich umbringen! Sag mir, warum ich diese Frauen getötet habe, oder – Gott steh mir bei – es kann geschehen, daß ich dir mit bloßen Händen die Knochen breche!«
    »Ashlar, hör zu, denn dies sind nicht die Lügen des großen Täuschers. Es ist die reine Wahrheit. Keine gewöhnliche Frau kann je dein Kind gebären – nur eine Hexe kann es oder ein Zwergenungeheuer – die halbblütige Frucht deinesgleichen und der Hexen – oder eine reine Frau von deiner eigenen Art.«
    Seine Worte verschlugen mir die Sprache. Eine reine Frau von meiner eigenen Art! Was beschwor das in meiner Phantasie herauf? Eine hochgewachsene Schönheit, hellhäutig und flink-füßig, mit anmutigen Fingern wie den meinen. Hatte ich mir ein solches Wesen nicht vorgestellt, als ich bei den Huren gelegen hatte? Oder hatte ich geträumt? Ich war plötzlich überwältigt wie von Weihrauch oder Gesang. Aber ich erinnerte mich an meine Mutter. Sie war keine reine Frau gewesen. Sie hatte die Hand ausgestreckt und das Hexenmal gezeigt.
    »Du weißt nicht, wie gefährlich es ist«, sagte er, »wenn die unwissenden Bauern dieses oder irgendeines anderen Landes es herausfinden. Warum, glaubst du, haben die Schotten dich so hastig weggeschickt?«
    »Du erschreckst mich, und du sollst aufhören damit. Ich lebe ein Leben der Liebe und des Friedens und des Dienstes an anderen. Die Schotten haben mich fortgeschickt, damit ich Priester werde.«
    Bei diesen Worten überkam mich Ruhe. Ich glaubte von ganzem Herzen, was ich da gesagt hatte. Ich schaute hinauf zum Himmel, und seine Schönheit schien mir der vollkommene Beweis für Gottes Gnade zu sein.
    »Sie haben dich fortgeschickt, damit die Bauern dich nicht vernichten, wie sie es mit denen, die von deiner Art übriggeblieben sind, immer getan haben. Dein Anblick, dein Geruch, die Verheißung deines Samens könnte bewirken, daß sie in grausames, heidnisches Treiben zurückfallen.«
    »Meine Art… Was redest du? Meine Art!« Ich konnte nichts mehr hören. Ich ballte die Fäuste, außerstande, Hand an ihn zu legen, außerstande, ihm etwas anzutun. In meinem ganzen Leben, in zwanzig Jahren oder mehr, hatte ich noch nie jemanden geschlagen. Ich konnte keine Gewalt ausüben. Ich weinte, und ich floh.
    »Komm jetzt mit mir!« rief er und hatte Mühe, mit mir Schritt zu halten. »Ich kann alle Vorkehrungen für die Reise treffen. Du hast nichts, was dir ans Herz gewachsen ist, keine persönlichen Besitztümer. Dein Brevier trägst du bei dir. Weiter brauchst du nichts. Komm, wir reisen zusammen nach Amsterdam, und wenn du in Sicherheit bist, werde ich dir die ganze Wahrheit sagen.«
    »Das werde ich nicht tun!« rief ich. »Nach Amsterdam! In die Höhle der Häretiker! Du sprichst von der Hölle unter anderem Namen!« Ich fuhr herum. »Was willst du mir sagen? Daß ich kein sterblicher Mensch bin?«
    Wieder bekam er es mit der Angst zu tun, als ich mich über ihn beugte, aber er war von kräftiger Gestalt und hielt mir stand.
    »Du hast einen Körper, der andere täuschen kann«, sagte er. »Aber niemand kann für deine Seele sprechen. In den ältesten Legenden hieß es, deinesgleichen habe keine

Weitere Kostenlose Bücher