Tanz der Sinne
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Dann sagte er leise: »Du willst also, daß ich mich anständig benehme.« Er ergriff den Stuhl an ihrem Schminktisch. Sie erwartete, daß er ihn ihr anbieten würde.
Statt dessen hob er den Stuhl über seinen Kopf und schmetterte ihn gegen die Wand. Holzsplitter flogen in alle Richtungen. »Tut mir leid, Kira, aber ich bin nicht in der Stimmung dafür«, sagte er mit einer Stimme, deren Beherrschung nur um so erschreckender wirkte. »Ich hätte die letzten zwei Jahre nie überlebt, ohne zum Barbaren zu werden, und das legt man nicht einfach ab wie ein altes Hemd.«
Sie preßte ihren Rücken an die Wand und überlegte mit klopfendem Herzen, ob sie um Hilfe rufen sollte. Nein, bei dem Lärm im Künstlerzimmer würde niemand sie hören.
Dann hielt sie den Atem an. Er hatte zwei Jahre entsetzliche Qualen erduldet…
Endlich paßte alles zusammen. Er mußte der Mann sein, in den Kira sich verliebt hatte, und deswegen war er Kit bekannt vorgekommen, obwohl sie ihn nie getroffen hatte. Vielleicht hatte er ihre Schwester nicht freiwillig verlassen, sondern war ins Gefängnis gekommen. Seine jetzige Wut schien zu bestätigen, daß er ein Verbrecher war, oder vielleicht ein Irrer. Beide Möglichkeiten hätten Kiras Kummer und ihre Weigerung, darüber zu sprechen, erklärt.
»Es tut mir leid, daß du so viel erdulden mußtest«, sagte sie, wie sie hoffte, in versöhnlichem Ton. »Erzähl mir davon.«
»Ich bin nicht hierhergekommen, um über mein Pech zu sprechen«, grollte er. »Ich will dich holen.«
Kit zögerte. Wenn ihre Schwester diesen Mann liebte, konnte sie ihn nicht wegschicken. Sie mußte ihm sagen, wer sie war, und hoffen, daß er ihr Vertrauen nicht mißbrauchte. Vielleicht wußte er sogar etwas, das ihr bei der Suche nach Kira helfen konnte.
Aber sie hatte zu lange gewartet. »Du suchst nach einer taktvollen Art, mir beizubringen, daß Gefühle sich in zwei Jahren ändern können, nicht wahr?« sagte er. Verzweiflung stand in seinem Gesicht. »Meine haben sich nicht geändert, und das werden sie nie.«
Sie konnte nicht zulassen, daß dieser Unbekannte der falschen Frau sein Herz eröffnete. Sie hob die Hand, um ihm das Wort abzuschneiden. »Bitte, sprechen Sie nicht weiter. Ich bin nicht die, für die Sie mich halten.«
Noch bevor sie mehr sagen konnte, änderte sich seine Miene. »Nein, das bist du nicht«, sagte er bitter. »Ich dachte, du bist treu und aufrichtig, obwohl du eine Schauspielerin bist, aber du bist genauso eine Hure wie alle anderen. Na schön, dann behandle ich dich eben so. Ich fürchte, ich habe kein Geld bei mir, aber ich habe bestimmt Kredit, nach all den Geschenken, die ich dir gemacht habe.«
Er drückte sie an die Wand und küßte sie noch einmal, diesmal mit strafender Brutalität. Sie wehrte sich gegen ihn, aber hinter seiner Magerkeit verbarg sich stählerne Kraft. Seine Hüften preßten sich an die ihren, und er umklammerte ihre Brust. Sie biß ihm in die Zunge.
Er fuhr zurück und keuchte: »Du kleines Miststück!«
Sie versuchte, sich loszureißen, aber er packte sie wieder und hielt sie fest. Sie starrten einander an.
In seinen brennenden Augen sah sie den Kampf zwischen Wut und Vernunft.
Die Tür öffnete sich mit lautem Quietschen. Kit und ihr Angreifer sahen auf, und vor ihnen stand ein staubbedeckter Lucien. Er schätzte die Situation augenblicklich richtig ein und stürmte mit mordlüsternem Blick in den Raum. »Lassen Sie sie sofort los!«
»Aha, deswegen spielst du die Unnahbare!«
brüllte der dunkelhaarige Mann. »Ich hab’ dich zu gut unterrichtet. Ich hätte wissen können, daß du die Beine nicht zusammenhalten kannst, sobald du erst einmal in die Freuden des Beischlafs eingeweiht warst. Wie viele Liebhaber hast du in den letzten zwei Jahren gehabt? Oder weißt du’s nicht mehr?«
Bevor sie antworten konnte, stieß er sie von sich und stürzte mit geballter Faust auf Lucien zu. Kit schrie auf, aber Lucien hatte bereits reagiert. Mit einer geschmeidigen Bewegung wich er dem Schlag aus und versetzte seinem Gegner einen Kinnhaken. Der Mann stieß ein gurgelndes Geräusch aus und fiel wie vom Schlag getroffen zu Boden.
Lucien trat über ihn hinweg und drückte Kit an sich. »Hat er dir weh getan?«
»Ei – eigentlich nicht.« Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter. Er roch nach Erde und Pferden und Geborgenheit.
Lucien küßte sie auf die Stirn und massierte die Angst aus ihrem Nacken und ihren
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