Tanz um Mitternacht
man in den Abgrund stürzt, wird man mit den Engeln vereint.«
Rand schwieg und sah Cait erschauern.
Das bemerkte auch der Deutsche. Der abschätzende Blick seiner hellblauen Augen wanderte über ihr weiblichen Formen, verharrte eine Zeit lang auf den Brüsten und glitt dann zu den Hüften hinab. Am liebsten hätte Rand den frechen Kerl niedergeschlagen, der Caitlin so begehrlich anstarrte.
Aber der Professor brauchte den Mann, der ihn zum Gipfel des Berges führen sollte. Rand durfte nicht gefährden, wofür Donovan Harmon und seine Tochter so lange und so hart gearbeitet hatten. Also würde er den Deutschen einfach nur beobachten, so wie bisher.
Von Schnell machte sich zuerst auf den Weg. Obwohl die Hängebrücke unter seiner schweren Gestalt bedenklich schwankte, erreichte er wohlbehalten die gegenüberliegende Seite der Schlucht, und die anderen folgten ihm. Cait stand neben St. Anthony, der ihr einige Ratschläge erteilte.
»Am besten gehe ich zuerst rüber. Dann warte ich auf dich. Vergiss nicht - du darfst auf keinen Fall hinunterschauen.«
Erst jetzt sah Rand, wie blass sie war. Ihre Haut, normalerweise rosig und sonnengebräunt, wirkte aschfahl.
Sobald St. Anthony die Brücke betreten hatte, ging Rand zu seiner Frau. »Leidest du unter Höhenangst?«
Seufzend hob sie die schmalen Schultern. »Und wenn schon... Ich muss da hinüber. Und es wird mir auch gelingen.«
Er spähte in die tiefe Schlucht hinab und fluchte leise. »Wäre die Brücke der zusätzlichen Belastung gewachsen, würde ich dich tragen. Verdammt, ich wünschte, du wärst daheim - in Sicherheit. Ich halte es einfach nicht aus! Tag für Tag muss ich auf dich achten. Und du bringst dich ständig wieder in Gefahr.«
»Niemand hat dich gebeten, hierher zu kommen, Rand.«
»Das musste ich tun.«
»Warum?«
Weil ich dich liebe ... Diese Worte sprach er nicht aus, denn sie würde ihm wohl kaum glauben. Jemand rief, nun sei Cait an der Reihe. Tapfer ging sie zu der schmalen Hängebrücke, die plötzlich von heftigen Windstößen bewegt wurde. Darunter in einer Tiefe von siebzig Fuß rauschte das Wasser über scharfkantige Felsen und bildete weißen Schaum.
Bevor Cait den ersten Schritt wagte, eilte Rand zu ihr. »Ausnahmsweise hat St. Anthony Recht. Schau nicht hinab. Halt dich an den Seilen fest, geh einfach weiter und richte deinen Blick auf Geoffrey, der dich drüben erwartet.«
»Ja...«, würgte sie hervor. »Wir sehen uns auf der anderen Seite.« Skeptisch erwiderte sie sein Lächeln.
In diesem Moment entstand zwischen ihnen jener süße Zauber, der sie so oft vereint hatte. Verzweifelt wünschte Rand, er könnte den Augenblick festhalten. Er neigte sich zu ihr und küsste ihren Mund. »Geh jetzt!«, befahl er heiser. »Denk an gar nichts, setz einfach nur einen Fuß vor den anderen.«
Unbewusst berührte sie ihre Lippen. Dann holte sie tief Atem, umfasst die Seile und machte den ersten zögernden Schritt. Ein neuer Windstoß erschütterte die Hängebrücke, und Rands Magen krampfte sich zusammen.
»Halt dich fest, Cait!«, flüsterte er, weil er fürchtete, ein lauter Ruf könnte sie erschrecken. Nachdem sie zwei Drittel des Weges bewältigt hatte, blieb sie stehen, und er spürte die Anspannung in ihrem Körper, als würden sich seine eigenen Muskeln verkrampfen. »Geh weiter!«, drängte er leise. »Du schaffst es.« Da gehorchte sie, diesmal mit sicheren Schritten, voller Zuversicht. Wenig später erreichte sie die andere Seite. Er dankte dem Himmel, und es störte ihn nicht einmal, dass St. Anthony sie umarmte.
Jetzt gingen die restlichen Gepäckträger hinüber, sichtlich beruhigt, nachdem sie Caitlin beobachtet hatten. Auch die beiden eingeborenen Köchinnen wagten sich auf die Brücke, gefolgt von Maruba. Wie Rand vermutete, nahm sie an der Expedition nur teil, um die Bedürfnisse des Barons zu befriedigen. Hester Wilmot, die englische Köchin, war mit Talmadges Dienstboten im Lager am Strand geblieben.
Als Letzter überquerte Rand die Schlucht. Nun frischte der Wind auf, wehte ihm Sand und Blätter in die Augen, und er konnte kaum etwas sehen. In der Mitte der Brücke schaute er ins schäumende Wasser hinab und erkannte, welche Todesängste Cait ausgestanden hatte. Ihr Mut erfüllte ihn mit Stolz.
Kurz vor dem Ende der Brücke las er unverkennbare Sorge in Caits Gesicht. Also war sie ihm nicht gleichgültig. Sie gehörte zu ihm. Und was immer es auch kosten mochte, er würde sie zurückgewinnen.
Endlich erreichte
Weitere Kostenlose Bücher