Tatsächlich Liebe in Notting Hill: Roman (German Edition)
auch.«
Während sich David eine Tasse Tee aufgoss und es sich auf dem Sofa mit Kissen und Schlafsack bequem machte, hockte ich auf einem Stuhl in der Küche und schaute ihm schweigend dabei zu.
Meine Entscheidung bereute ich keine Sekunde lang, da ein solcher Ebenezer Scrooge wie aus Disneys Weihnachtsgeschichte der Letzte war, den ich neben mir im Bett liegen haben wollte.
Oscar brach in schallendes Gelächter aus.
»Oh, meine Liebe, jetzt verstehe ich, warum du hier bist. Ich wäre auch vor diesem selbst ernannten Handwerkerkönig geflohen. Aber wie um alles in der Welt bist du auf dieses Haus in Notting Hill gestoßen?«
»Ach, Oscar, das war nicht der einzige Grund, warum ich erst einmal aus allem rauswollte. Dazu komme ich gleich, genau wie zu der Frage, wie ich an das Haus geraten bin. Das heißt natürlich, wenn du immer noch willst, dass ich es dir erzähle?«
Oscar riss die Augen weit auf und lehnte sich zurück.
»Natürlich will ich das Ende hören! Das hier ist weitaus besser als eine Sonntagswiederholung von EastEnders , Hollyoaks und allen anderen Seifenopern zusammen!«
4
A m nächsten Tag stand ich vor der Kunstgalerie. Während ich auf Maddie wartete, grübelte ich immer noch über meinen Streit mit David in der vergangenen Nacht.
Seit geraumer Zeit liefen einige Dinge zwischen uns nicht mehr ganz rund, aber bislang hatte ich immer angenommen, ich könnte über diese kleineren Eigenarten hinwegsehen – insbesondere, weil David nie zuvor Probleme mit meiner Vorliebe für Kinofilme gehabt zu haben schien. Nach dem Streit vergangene Nacht war ich mir da nicht mehr so sicher und fragte mich insgeheim, ob ich diese Hochzeit wirklich durchziehen wollte.
Eine Ehe mit David wäre endgültig, es gäbe kein Zurück mehr. Was Kinofilme anbelangte, sprachen wir hier von Ganz oder gar nicht , Auf immer und ewig , Verdammt in alle Ewigkeit …
Nachdem ich mich ein paar Minuten lang gequält und sämtliche Kinofilme aufgezählt hatte, die mir diesbezüglich einfielen, kam endlich Maddie in einem kunstvollen Outfit die Straße heruntergerauscht. Sie trug einen langen Samtmantel, darunter ein gold-burgunderfarbenes Kleid von Monsoon und hatte den Look mit einem großen goldenen Schmetterling im Haar und ebenso goldenen Sandalen abgerundet. Ich freute mich so, meine beste Freundin wiederzusehen, dass ich mir sogar einen Kommentar über Sandalen im Februar verkniff.
Als wir unsere Suche nach intellektueller Erleuchtung durch die vielen Gemälde, die die Galerie zu bieten hatte, begannen, schob ich alle Gedanken an David beiseite. Darum würde ich mich später kümmern.
Maddie blieb vor jedem einzelnen Bild und jeder Skulptur stehen, inspizierte diese gründlich und studierte eingehend die kleinen informativen Schildchen neben den Kunstobjekten. Ich dagegen streifte schnell von einem Ausstellungsstück zum nächsten und fragte mich des Öfteren, wie mies die Künstler wohl drauf gewesen sein mussten, um solche seltsamen Dinge zu erschaffen. Vielleicht hatten sie zuvor in Büros gearbeitet und in Häusern gewohnt, die dem meinen glichen – dann wäre ein Teil der künstlerischen Leistung durchaus gerechtfertigt.
Ich war gerade so weit, meinen Lebenswillen an den Nagel zu hängen, als mein Blick an einer Gruppe von Gemälden am anderen Ende des Raumes hängen blieb. Genauer gesagt, war es ein Gemälde, das mein Interesse erregte. Anders als bei allen anderen Ausstellungsstücken, an denen ich vorbeigegangen war und die ich keines zweiten Blickes gewürdigt hatte, schien mir dieses eine Bild merkwürdig vertraut zu sein. Es kam mir vor, als hätte es bei mir zu Hause an einer Wand gehangen.
Ich ließ mich davor auf einer Bank nieder und fand mich sofort in meiner eigenen, vertrauten Welt wieder, als ich es betrachtete. Dies hier war endlich einmal ein Kunstwerk, das ich verstand.
Auf dem Gemälde war eine junge Frau vor einem dunkelblauen Himmel zu sehen. Sie trug ein rotes Kleid und einen langen, weißen Schleier, den ein Mann ihr auf dem Kopf befestigte, um sicherzugehen, dass sie perfekt für ihre Hochzeit gekleidet war. Im Hintergrund war eine Kirche zu erkennen, und überall waren Tiere, von denen einige ein Instrument spielten – eine Ziege mit einem Cello stand besonders im Vordergrund.
Ich warf einen Blick auf die kleine Karte neben dem Gemälde:
La Mariée (Die Braut) – Marc Chagall, 1950
In Marc Chagalls Gemälden werden oftmals junge Frauen oder Paare dargestellt, doch nur wenige davon
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