Tausendschön
dass er direkten Weges nach Hause zu seiner Tochter gehen wird, um zu checken, ob es ihr gut geht. Und es würde mich nicht wundern, wenn er einen Kontakt unter seinen Widersachern hätte, den er dann anruft, um mitzuteilen, dass alles im grünen Bereich ist und er keine entscheidenden Fakten preisgegeben hat.«
Peder war zufrieden. Das Telefon von Svensson wurde bereits abgehört. Vielleicht würden sie, noch ehe der Tag zu Ende war, die Namen von einigen seiner Erpresser haben.
Es geschah zwar immer seltener in letzter Zeit, doch manchmal trafen sich Spencer Lagergren und seine Frau Eva noch zu Hause zum Mittag und bereiteten sich eine gemeinsame Mahlzeit. Spencer wusste nicht, warum Eva ausgerechnet an diesem Tag die Initiative zu einer solchen Begegnung ergriffen hatte, aber es war besser, wenn er tat, was sie wollte.
Als er von der Arbeit kam und die Tür öffnete, schlug ihm bereits Essensduft entgegen.
» Du hast schon angefangen?«, fragte er, als er kurz darauf die Küche betrat.
» Natürlich«, entgegnete Eva, » ich konnte ja nicht ewig auf dich warten.«
Spencer wusste sehr gut, dass seiner Freundin Fredrika die Beziehung zu seiner Ehefrau ein Rätsel war, und manchmal verstand er sie selbst nicht. Es gestaltete sich immer schwieriger, mit der Situation umzugehen, vor allem seit Fredrika schwanger war. Gleichzeitig war es natürlich unmöglich gewesen, Eva zu verschweigen, welche Entscheidung er getroffen hatte und welche Veränderung sein Leben erfahren würde. Sie hatten sich schon sehr früh in ihrer Beziehung darauf verständigt, eine offene Ehe zu führen, doch nur Spencer hatte sich schließlich entschieden, mit der immer selben Person zusammen zu sein. Er wusste, dass dies seine Frau, deren Seitensprünge immer kurzfristige Abenteuer blieben, störte. Ihn wiederum störte es, dass sie so viele Liebhaber hatte und oft auch so junge. Als hätte er das Recht, Einwände gegen ihre Wahl zu erheben.
» Wir haben uns am Wochenende ja überhaupt nicht gesehen«, sagte Eva mit fast fröhlicher Stimme. » Deshalb dachte ich, es wäre schön, wenn wir über Mittag ein bisschen Zeit für uns hätten.«
Lamm und Kartoffelgratin im Ofen, ein großer Salat auf dem Tisch. Ein Gedanke fuhr ihm durch den Kopf. Sollte er es wirklich wagen, davon zu essen? Wirkte sie nicht ein wenig komisch?
» Du hast dir viel Mühe gegeben«, sagte er und ging zum Kühlschrank, um etwas zu trinken zu holen.
» Manchmal muss man das, mein Lieber«, erwiderte Eva. » Sonst kann einem gleich alles scheißegal sein.«
Spencer erstarrte. Während ihrer dreißig Ehejahre hatte er von seiner Frau keine fünf Mal einen Kraftausdruck vernommen. Doch er kommentierte es nicht.
» Oder?«, fragte sie ihn herausfordernd.
» Natürlich«, sagte er, ohne dass es so klang, als würde er an das glauben, was sie sagte, oder es auch nur begreifen.
Mit ihren langen Fingern umfasste sie die Flasche Balsamico-Essig.
» Wie war dein Wochenende?«, fragte sie und stellte die Flasche mit einem Knall auf den Tisch zurück.
Diese Geste war markant genug, um ihn begreifen zu lassen, dass hier irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. Langsam schloss er die Kühlschranktür, wandte sich um und betrachtete sie über den Küchentisch hinweg.
Sie war immer schön gewesen, schlank und elegant, und an ihrem Aussehen war nach wie vor nichts auszusetzen. Sie hatte sich das widerspenstige Haar aus dem Gesicht gekämmt und zu einer einfachen, aber klassischen Frisur hochgesteckt. Wie immer hatten sich ein paar Haarsträhnen losgelöst und fielen ihr über die Wange. Ihre Augen waren groß und grün und sahen aus wie Ozeane, in denen die Pupillen wie schwarze, einsame Inseln wirkten. Hohe Wangenknochen und volle Lippen. Eine unglaublich gut aussehende … Gefängniswärterin.
Spencer unterdrückte ein Seufzen. Denn das war sie leider während der letzten zwanzig Jahre gewesen. Seine Gefängniswärterin, sein Kreuz.
Er begegnete ihrem Blick und zuckte unwillkürlich zusammen. Die Gefängniswärterin weinte. Mein Gott, wann hatte er sie zuletzt weinen sehen? Vor fünf Jahren vielleicht, als ihr Vater einen Herzinfarkt erlitten hatte? Dieser zähe alte Sack, der inzwischen fünfundachtzig Jahre alt war und inzwischen wieder so verdammt gesund, dass es für Spencer keinen hellen Streifen am Horizont gab. Aber es wäre natürlich dumm anzunehmen, dass der Tod des Alten irgendeine Form der Erlösung mit sich bringen würde. Schwiegerväter kehrten aus der
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