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Tempus (German Edition)

Tempus (German Edition)

Titel: Tempus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maud Schwarz
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lag, und schlüpfte in ein geblümtes Sommerkleid mit Spaghettiträgern. Kritisch betrachtete ich mich von allen Seiten im Spiegel, der neben dem Schrank hing. Ich fühlte mich fremd in dem Kleid. Ich zog es aus und dafür Filippas Tunika an. Erneut musterte ich mich im Spiegel. So also hatte ich darin ausgesehen! So kannte mich Marcius. In einem schlichten, blauen Kleid, das momentan allerdings ein wenig verdreckt war. Am liebsten hätte ich es anbehalten. Traurig streifte ich mir die Tunika über den Kopf, legte sie ordentlich zusammen, so wie es Filippa gemacht hätte, und packte sie ganz zuunterst in meinen Koffer. Wenig später verließ ich in dem geblümten Spaghettiträgerkleid das Hotel, um noch einmal durch die Ewige Stadt zu streifen, die für fünf Monate meine Heimat gewesen war. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit dem Tag anstellen sollte. Ich wusste nur, dass ich irgendwie Abschied nehmen wollte, bevor ich wieder nach Hause flog. Nach Hause! Wie das klang! Trotz der Wärme fröstelte es mich.
    Ziellos schlenderte ich durch Straßen, die mir nichts sagten. Erst als ich am Tiber stand und vor mir die Tiberinsel sah, war mir klar, wohin ich zu gehen hatte. Zum Janiculum! Es war der perfekte Ort, um mich von Rom und Marcius zu verabschieden! An den Janiculum hatte ich nur gute Erinnerungen. Anders als an den Palatin.
    Ich lief über die Tiberbrücke oberhalb der Insel und hielt mich dann rechts. Obwohl ich mit Marcius oft zum Janiculum geritten war und er mir beigebracht hatte, wie man sich am Stand der Sonne orientierte, verlief ich mich schon bald hoffnungslos in dem engen Straßengewirr Roms. Zum Glück traf ich auf eine Gruppe von Frauen, die einen Stadtplan bei sich trug.
    »Entschuldigung, könnten Sie mir sagen, wie ich zum Janiculum komme?«, fragte ich sie auf Englisch.
    Eine der Frauen drehte sich zu mir um und lächelte mich an.
    »Janiculum? What is that?«
    Die Frau hatte einen starken schwedischen Akzent. Da ich jedoch keine Lust hatte, in einen Small Talk verstrickt zu werden, gab ich mich nicht als Landsfrau zu erkennen und blieb bei Englisch.
    »Ein Hügel. Von dort kann man über ganz Rom gucken.«
    »Ah, du meinst bestimmt den Gianicolo. Du hast Glück, wir kommen da gerade her«, bereitwillig erklärte sie mir den Weg.
    Wie sich herausstellte, befand ich mich schon ganz in der Nähe des Janiculums, der auch laut Karte jetzt offenbar Gianicolo hieß. Ich musste nur noch einmal links abbiegen, mich dann geradeaus halten und der übernächsten Straße, die nach rechts abzweigte, folgen.
    Ich bedankte mich und marschierte los. Etwas außer Atem kam ich nach einer Weile tatsächlich oben auf dem Hügel an, wo ich auf ein Reiterstandbild stieß.
    Ratlos wanderte ich umher. Unsere Wiese, wo genau mochte sie wohl gewesen sein? Der Hügel wimmelte nur so von Touristen. Überall standen und gingen sie herum – in kurzen Hosen, mit Rucksäcken und Wasserflaschen oder Reiseführern in der Hand. Sie bewunderten den Ausblick, fotografierten sich und die Stadt zu ihren Füßen.
    Eine Welle der Enttäuschung schlug über mir zusammen. Den ganzen Weg war ich hier hochgelaufen, nur um festzustellen, dass dies nicht mehr mein Hügel war. Nicht mehr mein Rom. Wie dumm von mir! Was hatte ich erwartet? Mehr als zweitausend Jahre waren vergangen. Der Hügel gehörte nicht mehr Marcius und mir, sondern diesen Trägern von kurzen Hosen und Wasserflaschen.
    Die Sonne stand inzwischen hoch am Himmel. Es war Mittagszeit und sengend heiß. Ich ging zu einer Brüstung und blickte nach unten in die Tiefe. Mir fiel ein, dass ich übermorgen wieder zur Schule musste. Ein absurder Gedanke. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, vor Ole, Dennis, Malte und Linn ein Referat zu halten.
    Verzweifelt sah ich mich erneut um. Der Janiculum hatte sich etwas geleert. Die meisten Touristen waren vor der Mittagshitze in schattige Restaurants geflüchtet. Langsam lehnte ich mich über die Brüstung. Mein Herz fühlte sich kalt und schwer an. Ich schloss die Augen. Was wohl aus Filippa, Verus und Kleon geworden war? Ob sie das Feuer hatten löschen können? Hoffentlich war es ihnen gelungen, und hoffentlich hatte Cäsar Lucius begnadigt. Aber was spielte das noch für eine Rolle? Sie waren alle seit einer Ewigkeit tot. Marcius hatte es kommen sehen. Deshalb hatte er mir das Amulett geschenkt, damit es mich an ihn erinnerte, wenn er schon lange nicht mehr lebte. Ich griff nach dem Amulett an meinem Hals und lehnte mich

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