Terra Madre
außer Haus sind auch zu sehr günstigen Preisen zu haben. Dabei muss man auf Qualität nicht verzichten und kann viel Gutes tun – sich selbst, der eigenen Gesundheit und der Öffentlichkeit. Wir müssen uns vom Vorurteil befreien, gute Lebensmittel seien elitär, und vor allem zwei elementare Regeln befolgen: die Qualität außerhalb des konsumistischen Systems suchen und die bewährten hauswirtschaftlichen Praktiken wiederentdecken.
Wer das System verlassen möchte, kann alternative Vertriebskanäle nutzen. In jeder Stadt gibt es Märkte, auf denen man direkt von den Bauern bessere Qualität zu günstigen Preisen kaufen kann. Natürlich sollte man sich an der Jahreszeit entsprechende Produkte halten, denn während der Saison kosten Obst und Gemüse weniger.
Bei Obst und Gemüse kann man sich sogar den Gang zum Markt sparen, indem man die Dienste von Erzeuger-Kooperativen nutzt, die die Waren direkt nach Hause liefern. Diese wie auch die GAS, die Gruppi di acquisto solidale, erfreuen sich in ganz Italien immer größerer Beliebtheit.
Die zweite Sparregel lautet, die guten häuslichen und gastronomischen Gewohnheiten in Ehren zu halten. Man muss zum Beispiel das vergessene Wissen über die verschiedenen Fleischschnitte wieder auffrischen. Sehr nachteilig hat sich der Verlust der Handwerkskunst beim Schlachten ausgewirkt. Es ist zu einem bloßen Zersägen im großen Maßstab verkommen, bei dem ein beträchtlicher Teil des essbaren Fleisches verloren geht. Die weniger wertvollen Stücke sind nicht mehr gefragt, weil niemand mehr weiß, wie man sie zubereitet oder sich die Mühe dazu machen will. Der Konsument heute ist auf Filet fixiert.
Granda, eine Vereinigung aus Cuneo, die sich seit Jahren der nachhaltigen Aufzucht von Rindern der Piemonteser Rasse widmet, hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, alle – und zwar wirklich alle – Teile ihrer Tiere zu verkaufen. Das erlaubt den Züchtern, so viel wie möglich zu erwirtschaften, und den Verbrauchern, Geld zu sparen. Bei Granda werden nur die Hörner und die Hufe der Tiere weggeworfen. Sogar das vordere Viertel (Hals-, Bauch-, Schulter- und Brustbeinmuskeln sowie Rippengegend) und das sogenannte fünfte Viertel, das heißt Kopf, Schwanz, innere Organe, Blut und Füße, werden verarbeitet. Daraus entstehen Produkte wie Hamburger (1,15 Euro pro Stück), Gelatine, ein »Anti-Fleisch in der Dose« (hergestellt aus Wange, Fuß, Zunge und Schwanz), Einzel-Portionen Fleischbrühe sowie Fleischsoße und Pastete. Ein Fünftel des Angebots sind Fertigprodukte, alle ohne Konservierungsstoffe, aus Zutaten von exzellenter Qualität und sehr schmackhaft. Laut einer an der Universität Turin entstandenen Diplomarbeit in Medizin sind auch die Nährwerte besser als bei konventionellem Rindfleisch.
Die wertvollsten Fleischstücke, zum Beispiel die vom weiblichen Rind, kosten bei Granda effektiv – und aufgrund der Aufzuchtmethoden zu Recht – mehr als 20 Euro das Kilo, sind also teurer als Fleisch, das nicht nachhaltig erzeugt wird. Doch für ein Stück Fleisch ohne Knochen von einem männlichen Rind, das immer noch von eindeutig höherer Qualität als konventionell erzeugtes Fleisch und auch länger haltbar ist, bezahlt man im Direktverkauf bei den Züchtern um die zehn Euro. Natürlich muss man es zubereiten können, vielleicht als Eintopf oder Schmorbraten, weil das Fleisch der männlichen Tiere weniger zart ist als das der weiblichen.
Die Kenntnis der gastronomischen Kultur fehlt auch beim Fisch. Viele Fischarten werden nach dem Fang gleich wieder zurück ins Meer geworfen, weil für sie kein Markt vorhanden ist. Die Leute fragen nur nach Goldbrassen und Seebarsch, weil sie nicht wissen, wie sie die anderen Fische zubereiten sollen, etwa Sardinen, Sardellen oder Makrelen. Doch diese Fische schmecken gut und sind gesund, einfach ein wenig anspruchsvoller in der Küche. Und sie kosten wirklich wenig.
Auch bei der Konservierung von Lebensmitteln fehlt uns heute die Erfahrung. Ich erinnere mich noch gut, wie es jeden Sommer in den Innenhöfen meiner Heimatgegend in großen Kesseln brodelte. Man kochte und weckte ein. Die Tomaten wurden in der Saison, wenn sie den optimalen Reifegrad erreicht hatten, geerntet und verströmten herrliche Düfte. Nach dem Kochen wurden sie in Flaschen und Dosen abgefüllt, im Winter dann verbraucht. Sie schmeckten hervorragend. Heute kaufen wir mitten im Winter teure Cherry-Tomaten, die weiß Gott woher kommen und fade schmecken. Kostet ein
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