Terror: Thriller (German Edition)
Marc.
»Hast du dir die Fotos angesehen?« Klaus deutete auf den Bildschirm. Ein Foto zeigte Giannettini kurz vor dem Anschlag 1969 beim Besuch des Münchner Rüstungskonzerns Krauss-Maffei. Ein zweites beim Besuch der Heeresoffiziersschule in Hamburg. Er sei sogar im Verteidigungsministerium empfangen worden, ergänzte der Text weiter. Dann ging es um die Verbindung der Aginter Press zu Rudolf Hochhausen. Eine Abbildung zeigte Spendenquittungen über 100.000 Mark. Das Geld sollte der Verteidigungsminister an die Aginter Press gezahlt haben. Es stammte wahrscheinlich aus einem Etat des BND .
Als Marc den Artikel zuende gelesen hatte, fühlte er sich, als sei ein Tornado über ihn hinweggefegt.
»Noch jemand etwas zu trinken?«, fragte Kersting.
»Ja, bitte!«, sagten Marc und Klaus gleichzeitig.
Kersting kam mit einer Flasche teuer aussehenden Grappas und drei Gläsern zurück.
Er hielt die Grappa-Flasche in die Höhe.
»Ich dachte, das ist jetzt vielleicht das Richtige.« Als Marc und Klaus nickten, schenkte er die Gläser voll.
Der Grappa tat gut.
Bald schon drehte sich das Gespräch um die Frage, warum dieser Zeitungsartikel keinen Skandal ausgelöst hatte und warum das Thema nicht von anderen Medien aufgegriffen worden war.
»Ich bin mir gar nicht sicher«, sagte Kersting, »ob das tatsächliche Ausmaß des Skandals begriffen worden ist. Das Problem ist ja nicht, dass Rudolf Hochhausen eine finstere Terrortruppe finanziert. Zumal man mit dieser Truppe in Deutschland bisher nicht allzu viel verbindet. Die Aginter Press scheint zunächst kein deutsches Problem zu sein …«
»Aber dass ein Verteidigungsminister die finanziert haben soll, ist doch ungeheuerlich!«, protestierte Klaus.
»Der eigentliche Skandal liegt aber in dem beiläufigen Satz, dass die Gelder ›wahrscheinlich aus einem Etat des BND stammen‹.« Kersting drehte das leere Grappaglas in der Hand. »Dann geht es nicht mehr nur um die Verfehlung eines einzelnen Politikers, dann haben wir es mit einem System zu tun: Es geht um Terrorismus, der mit Steuergeldern finanziert wurde.«
Kerstings Worte standen im Raum wie Gewitterwolken. Marc versuchte seine Gedanken zu ordnen. Sie waren in einem Sumpf gelandet, einem Sumpf aus Geheimdiensten, Terrorismus und Politik, in einer Geschichte, die über dreißig Jahre her war. Aber es gab eine Verbindung ins Jahr 2010. Die Geschehnisse in Lenzari hatten etwas mit dieser alten Geschichte zu tun, so schwindelerregend der Gedanke auch war. Es ging um den Mann mit dem Schnauzbart. Welche Rolle spielte er? Darüber konnte man Vermutungen anstellen. Man konnte spekulieren. Aber das würde sie keinen Schritt weiterbringen. Sie brauchten Fakten. Sie brauchten Beweise.
Alle drei waren sich darüber einig, dass ihnen im Moment nur ein Mann weiterhelfen konnte: Carlo Ranieri beziehungsweise Salvatore Cecchino, Besitzer des Restaurants Il Pellegrino in der Bleibtreustraße.
Morgen, Sonntag, war Marc mit Nick verabredet. Sie mussten den Dreh vorbereiten, und Marc fürchtete, dass es spät werden könnte, deshalb verabredeten sie sich für Montagabend im Restaurant Il Pellegrino. Kersting wollte einen Tisch reservieren.
Sie standen bereits an der Tür und verabschiedeten sich von Kersting, als Marc sich entschied, den beiden von seinen Überlegungen zu erzählen, die ihn seit der Ermordung von Bertone beschäftigten:
»Ich habe Angst«, sagte er, »ich habe Angst, dass wir uns in Gefahr begeben, und ich habe natürlich Angst um meine Familie. Ich überlege die ganze Zeit, ob es eine Möglichkeit gibt, aus dieser Sache rauszukommen, ohne dass wir die Helden spielen müssen. Ich bin kein Held. Ich mache Werbung für Hautcreme.«
Klaus lachte.
Zu Marcs Erleichterung sagte Kersting sofort, dass er darüber ebenfalls schon nachgedacht habe.
»Aber ich habe keine Idee, an wen wir uns in diesem Stadium unserer Recherchen wenden könnten. Wir haben einen marokkanischen Häftling, der behauptet, der Schnauzbart habe ihn bedroht. Wir haben eine Zeugin, die den Schnauzbart am Abend des Oktoberfest-Attentats in Wies’n-Nähe gesehen haben will. Und es gibt einen Söldner, der behauptet, den Mann im Irak gesehen zu haben, wo er den Auftrag erteilt habe, eine italienische Geisel hinzurichten. Wir glauben weiterhin, dass besagter Söldner ermordet worden ist und dass die italienische Polizei diesen Mord vertuscht. Und diese Thesen untermauern wir mit einem Artikel über einen Verteidigungsminister als
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