Terror: Thriller (German Edition)
eingeschrieben.
Ende der Sechzigerjahre unternimmt er zusammen mit anderen neofaschistischen Studenten eine Reise nach Athen. Die Reise wird finanziert von der griechischen Militärjunta. Von dieser Reise kehrt Ranieri als Anarchist nach Italien zurück. Er lässt sich Haare und Bart wachsen, verkehrt in verschiedenen anarchistischen Kreisen, zuletzt im ›Zirkel 22. März‹. Dessen Gründer Pietro Valpreda galt zunächst als Hauptverdächtiger für den Bombenanschlag auf der Piazza Fontana in Mailand, bei dem am 12. Dezember 1969 sechzehn Menschen getötet und neunzig verletzt worden sind, bis sich in einem ewig dauernden Gerichtsverfahren herausstellte, dass der Anschlag auf das Konto von Rechtsextremisten der Ordine Nuovo ging.«
Kersting nahm einen Schluck Wasser. Für einen Moment herrschte Schweigen.
»Über Ranieri weiß man allerdings inzwischen«, fuhr Kersting fort, »dass sein ideologischer Wandel ein rein äußerlicher war. Er hat gezielt versucht, linke Gruppen zu radikalisieren und zu Gewalttaten zu motivieren, um deren Ideen zu diskreditieren.«
»Ein Agent provocateur«, sagte Klaus.
»Aber in welchem Auftrag?« Marc versuchte krampfhaft, den Überblick zu behalten.
»Das ist unklar. Aber es wird vielleicht deutlicher, wenn man sich ansieht, wie es mit Ranieri weiterging. Nach dem Piazza-Fontana-Attentat wurde er, zusammen mit Valpreda und anderen Anarchisten festgenommen, aber im Gegensatz zu diesen schon bald wieder auf freien Fuß gesetzt. Seine Spur verliert sich zunächst. Erst 1972 taucht er wieder auf. Und zwar unter dem Namen Robert Tourneur. Offiziell ist er jetzt Journalist. Er arbeitet für die Presseagentur Aginter Press mit Sitz in Lissabon.«
Kersting holte ein Papier aus einer Klarsichtfolie des Leitz-Ordners.
»Hier ist sein Presseausweis.« Er reichte das Papier an Marc weiter. Es war eine Schwarz-Weiß-Kopie. Das Gesicht auf dem Foto war schlecht zu erkennen. Der Mann trug eine Hornbrille und kurzes, akkurat gescheiteltes Haar. Er hatte eine scharfe Nase und einen Oberlippenbart. Marc reichte den Ausweis an Klaus weiter.
»Zur Aginter Press muss man wissen«, fuhr Kersting fort, »dass sie nur nach außen hin eine Presseagentur war. Sie war Tarnung für eine bestens ausgerüstete, internationale antikommunistische Struktur zur Koordination rechtsterroristischer Aktivitäten.«
»Das klingt doch alles völlig irre«, entfuhr es Klaus. Er nahm einen großen Schluck Bier.
»Ja«, sagte Kersting, »aber so war es.«
»Stimmt das denn alles?«, hakte Marc nach, »ich meine, diese Aginter-Press-Geschichte zum Beispiel, lässt sich das nachprüfen?«
»Das ist das eigentlich Erstaunliche daran«, sagte Kersting. »Das ist alles überhaupt kein Geheimnis. Alle Fakten kursieren seit Langem. Es gibt sogar Zeitungsberichte darüber.« Kersting beugte sich vor und aktivierte den Computer.
»Schauen Sie selbst.«
Er loggte sich bei der Nachrichtenagentur ASP ein. Marc und Klaus sahen ihm gespannt über die Schulter. Kersting gab »Aginter Press« im Suchfenster ein. Die Anfrage ergab fünf Treffer; ein englischer, zwei französische und zwei italienische Artikel wurden angezeigt.
»Und auf Deutsch?«, fragte Klaus.
»Gibt es nichts«, sagte Kersting und klickte den englischen Artikel an. Marc überflog ihn:
Aginter Press was a world-wide operating anti-communist mercenary organisation, set up in Lisbon, Portugal in September 1966.
It trained its members in covert action techniques amounting to terrorism, including infiltration and counter-insurgency, silent assassinations and bombings.
»Was heißt ›mercenary‹?«, fragte Klaus.
»Söldner«, antwortete Kersting.
Eine weltweit operierende, antikommunistische Söldnerorganisation also. Marc las weiter:
Head of Aginter Press was anti-communist activist Yves Guérin-Sérac, former officer of the French Armed Forces and veteran of the Indochina War (1945–54), the Korean War (1950–1953) and the Algerian War (1954–1962). Another founding member of Aginter Press was the Italian neo-fascist terrorist Stefano Delle Chiaie …
»Hier steht was über Stefano Delle Chiaie!«, rief Marc.
»Den schauen wir uns gleich noch mal genauer an«, sagte Kersting, »aber schauen Sie bitte erst mal hier unten. Da taucht nämlich ein zweiter wichtiger Name auf.«
Er zeigte auf einen Abschnitt mit der Überschrift: »1969 Piazza Fontana Bombing«.
»Das ist das Attentat, bei dem Carlo Ranieri eine wichtige Rolle gespielt
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