Terror: Thriller (German Edition)
einer Pizzeria an der Piazza delle Erbe bekamen sie noch ein Mittagessen. Als sie die Pizzeria um kurz nach drei verließen, waren sie die letzten Gäste. Die Altstadtgassen lagen verwaist da, vor den meisten Geschäften waren schwere, eiserne Rollläden heruntergelassen. Es war Siesta-Zeit. Erst in einer Stunde würde die Stadt wieder zum Leben erwachen. Zwei Straßen weiter lag San Donato, eine Kirche aus dem 12. Jahrhundert mit einem achteckigen, wunderschönen Campanile, der weithin sichtbar war. Sie gingen die Via San Donato entlang und gelangten gegenüber dem Palozzo Ducale aus dem Gassengewirr wieder ins Freie. Das Gefühl hatten sie zumindest. Sie befanden sich auf der Rückseite des Doms San Lorenzo. Als sie die Frontseite mit den drei gotischen Portalen erreicht hatten, stürmte Anna sofort auf einen der beiden Löwen zu, die die Kirchentreppe flankierten. Conny machte ein Foto von Anna auf dem Löwen. Eine Gruppe Kinder – jedes mit einem Rucksack auf dem Rücken – stand vor dem rechten Portal und ließ sich von einer hübschen Frau, die um die dreißig sein mochte, etwas erklären. Eine Schulklasse mit ihrer Lehrerin, mutmaßte Marc. Anna und Conny kamen wieder zu ihm.
»Wollen wir mal hören, was die Frau sagt?«
Anna nickte. Sie traten zu der Gruppe. Die Frau deutete immer wieder auf etwas im Mauerwerk neben dem Portal und redete aufgeregt und sehr schnell auf die Kinder ein.
»Was ist denn da?«, fragte Anna. Sie mussten noch weiter nach vorn gehen, um zu erkennen, worauf die Frau zeigte: Es war die Skulptur eines kleinen, schlafenden Hundes, die neben der wuchtigen Erhabenheit des gotischen Portals vollkommen fehl am Platz zu sein schien. Marc versuchte den Erläuterungen der Lehrerin zu folgen: Eine Legende besagte, dass einer der Steinmetze, die im 14. Jahrhundert an der Vollendung der Kathedrale arbeiteten, einen Hund hatte, den er sehr liebte. Doch eines Tages war der Hund verschwunden. Damit er nie vergessen würde, hatte der Steinmetz seinen Hund hier am Kirchenportal verewigt.
Marc erzählte Anna die Geschichte. Sie war hingerissen. Als die Schulklasse weiterzog, hatten sie Gelegenheit, sich den schlafenden Hund in aller Ruhe anzusehen. Er hatte sich leicht eingerollt, der Kopf ruhte auf den Vorderbeinen.
»Der hat ja richtig glänzendes Fell«, stellte Anna fest. Es stimmte, der Stein sah aus wie poliert.
»Das liegt daran, dass ihn seit siebenhundert Jahren jeden Tag ganz viele Menschen streicheln«, sagte Conny.
»Dann geht’s ihm eigentlich gut, oder?« Anna sah den Hund nachdenklich an.
»Bestimmt«, sagte Marc.
Sie beschlossen den Zug zu nehmen, der um 16:55 Uhr vom Bahnhof Principe abfuhr. Um kurz vor sechs würden sie in Albenga ankommen, wo sie das Auto stehen gelassen hatten.
Die Geschäfte hatten bereits wieder geöffnet, als sie sich in Richtung Bahnhof aufmachten. Mithilfe des Stadtplans, den Marc bei ihrer Ankunft in der Touristeninformation mitgenommen hatte, hofften sie, sich durch das Gewirr der Altstadtgassen bis zum Bahnhof durchfinden zu können. Je weiter sie sich vom Porto Antico entfernten, umso ärmlicher und düsterer wurden die Gassen. Nichts war mehr zu sehen von der Pracht und dem Luxus der Geschäfte rund um den Dom. Die Bevölkerung war hier ausschließlich schwarz. Das Leben spielte sich draußen vor den Häusern ab. Die Frauen trugen bunte Gewänder, Kinder spielten Fußball. Genua wirkte hier nicht mehr besonders europäisch.
»Das sind doch hier alles Illegale, oder?«, flüsterte Conny.
»Ja. Sehr wahrscheinlich.«
Sie redeten nicht mehr viel. Zu bedrückend wirkten diese trostlosen Gassen, in die kaum Tageslicht kam, weil die Häuser so hoch waren. Es stank nach Urin.
Plötzlich blieb Anna stehen. Rechts ging eine noch schmalere Gasse ab. Die Dächer der fünfstöckigen Mietshäuser berührten sich fast. An einer Hauswand, etwa drei Meter von ihnen entfernt, lehnte ein Mädchen, keine achtzehn Jahre alt, schätzte Marc. Sie trug ein rotes Stretchminikleid und hochhackige Schuhe, die ziemlich abgewetzt aussahen. Wie in Zeitlupe glitt sie an der Wand nach unten, ihre Augen fielen immer wieder zu. Plötzlich riss sie die Augen weit auf, Marc sah nur weiß, keine Pupillen, sie richtete sich auf, doch schon fielen ihr die Augen wieder zu und sie rutschte an der Wand hinunter. Zweimal wiederholte sich das.
»Was hat die?«, fragte Anna.
Das Mädchen war offensichtlich eine mit Drogen vollgepumpte minderjährige Prostituierte.
»Die ist
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