Terry - Geschichten aus dem Leichenhaus
Publikum. Andererseits bekam ich 2x Hausverbot bzw. die Rote Karte gezeigt. Zwei KrimiKolleginnen sagten: die Story hat Kraft, endlich traut sich mal einer etwas! Nun ja. Aber: entscheiden Sie selbst!
Ende
Begegnung am Abend
Die Abendsonne sah wie eine Pizza aus, die zu lange im Backofen gelegen hatte. Der Himmel war wässrig, und zwischen zerrissenen Wolken flossen schmierige Sonnenstrahlen, die sich über eine Art Koppel ausbreiteten – ein Stück morbider Natur am Rande der Stadt. Zwei Zirkuswagen klebten aneinander, vor denen ein paar Ponies vergeblich versuchten, mit ihren Schwänzen Fliegen zu verjagen, die sich auf ihren schmutzigen Rücken tummelten. Im Hintergrund ein Autofriedhof, dessen Silhouette der Klaue eines Dinosauriers ähnelte.
Ich musste mir die Augen reiben, aber ich sah tatsächlich ein paar Gebilde aus Holz, Mörtel und Teerpappe, die sich Geschäft nannten.
Der Laden für Gebrauchtmöbel lag hinter dem Schild »Auto-Ersatzteile«, das genauso verrostet war wie die Ware selbst. Autoreifen zu Säulen gestapelt, die im Abendlicht wie riesige Zigarrenasche aussah, dazwischen Unkraut und Sperrmüll. Eine Baracke, vor der der Inhaber im Klappstuhl dämmerte – sein schmieriges Unterhemd bedeckte drei ausfahrbare Bäuche – war der »Verkaufsraum«. Das Gras in dieser trostlosen Gegend war von der Sommerhitze ausgedörrt und hing braun und schlaff herum, wie das Haar einer alten, kranken Frau. Zwei, drei Krähen saßen auf leeren Bierkästen und sonnten sich das Gefieder.
Eine kleine Ziege suchte nach Nahrung – sie schien niemandem zu gehören, so wie alles und jeder dort. Ein Lattenzaun hing windschief über einem Wasserbottich, aber was dieser Zaun zu schützen hatte, war mir nicht klar. Er schien eine Leere in der Leere abzuschirmen. Schweiß rann mir den Hals entlang, und ich öffnete meinen Hemdkragen. Ein alter Ford, der mindestens zwanzig Jahre auf seinem verrosteten Buckel hatte, diente einer dürren Katze als Zuhause. Sie lag dösend auf dem Beifahrersitz, daneben eine zerschossene Bierdose und eine kaputte Puppe, die mich mit ihrem einen Auge böse anstarrte. „Hier gehörst du nicht hin! Du nicht“, schien sie mir zu sagen, „sonst siehst du bald so aus wie ich!“ Ich ertappte mich dabei, wie ich ausrechnete, was diese Jammergegend wohl kosten mag, und sah mich schon als Bauherr von zehn oder zwanzig Häusern. Gleich nachher mit Louis reden, sagte ich leise. Louis, mein Spezi und Anwalt, der durch mich bereits seine dritte Eigentumswohnung gekauft hatte. Na, gut. Dafür habe ich zwölf.
Ich wusste nicht genau, was ich in dem Ödland zu suchen hatte (Barrens, würde man wohl in Amerika dazu sagen), jedenfalls wollte ich keine Gebrauchtteile kaufen. Mein Mercedes war erst vier Monate alt, und acht weitere gab ich ihm, bis mich sein Nachfolger weiterbefördern wird, denn ich liebe die kalte Luft aus Metall und Kunststoff, die ich nur in Neuwagen riechen kann. Nach einem Jahr schwebt nur noch der Duft von Heritage, Davidoff-Zigarren und teuren Frauen über die Ledersitze, von Models, die bei mir zweitausend Euro pro Nacht abkassieren.
Scarlett, so hieß die letzte, ein Traum aus zartem Fleisch, großen –nicht mehr ganz jungen – Augen, die von rotbraunen Haaren umrahmt waren. Sehr zart, sehr nervös, die Gute. Und – sehr klug, was die breite Masse ja eh nie glauben will. Scarlett war sogar im weitesten Sinne religiös, beschäftigte sich noch mit Mystik und so ’nem Zeugs, und war mir oft eine gute Ratgeberin. Fast hätte ich schon Lehrerin gesagt.
Sie war devot, sie war dominant, sie war Geliebte und Schutzengel zugleich (oh, ich weiß, Herr Deutschlehrer: „... könnte man das nicht etwas besser ausdrücken?“ „Nein! Das nicht. Das ist okay –, du Arsch! Das ist obercool und affengeil ausgedrückt – oder?“).
Unsere Gespräche waren häufig so prickelnd, intellektuell auf hohem Niveau, dass ich ab und an sogar den Sex darüber vergaß. Ach ja. Davor siezte sie mich, dabei nicht, danach wieder. Oh, Scarlett! Was hatte sie gestern Nacht gesagt (dabei nahm sie mich in ihre Arme und küsste mich sanft auf den Mund): „Du gehst über Leichen, mein Lieber. Beziehst du deinen Charme inzwischen aus der Tiefkühltruhe? Du musst hart an dir arbeiten! Tu mir ... tu dir ... den Gefallen. Du wirst mehr und mehr Tommy Maschine. Oder meinst du, du weißt schon alles? O Gott, du bist so schwer zu durchschauen. – Was hast du da eigentlich drin?“
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