Teufel ohne Gnade Kommissar Mor
größenwahnsinnig geworden?"
„Größenwahnsinnig nicht, aber reich will ich werden, Mike! Und das in kürzester Zeit. Ich kenne jetzt den Weg dazu und werde vor keinem Mittel zurückschrecken. Selbst dann nicht, wenn ich noch einmal..."
„Ein kaltes Bad nehmen müßte", fiel Mike Lister seinem Freund lachend ins Wort.
„Mensch Nat, bleib auf dem Teppich! — Gib deinen blöden Traum vom Reichtum auf und sei mit dem zufrieden, was du von unserem Alten bekommst. Nur wenige von uns können das große Los gewinnen — und die, die es allein mit Gewalt schaffen wollen, landen meistens in der Gosse. Du bist lange genug in unserer Branche tätig, um dieses genauso gut zu wissen wie ich."
„Alles Quatsch, Mike! — Man muß nur den richtigen Dreh kennen, dann kommen einem die Piepen nur so zugeflogen. Und warte ab, es dauert nicht mehr lange, dann bin ich in der Lage, dir zu beweisen, wie es gemacht wird."
„Warte ab!" wiederholte Mike Lister tonlos. Bedächtig strich er mit der Hand über seine fingerbreite Narbe an der Stirn. Auch er hatte einmal versucht, auf eigene Faust den starken Mann zu spielen. Es blieb ein kläglicher Versuch. Alles, was von seinem eigenmächtigen Unternehmen übriggeblieben war, war diese Narbe an seiner Stirn. Nur um Haaresbreite war er der tödlichen Kugel eines Rivalen entgangen. Nach seiner Wiederherstellung verspürte er keine Lust mehr, gegen die Großen der Londoner Unterwelt anzurennen. Er heulte seither mit den Wölfen und lebte sehr gut dabei. Zu dieser Einsicht würde auch noch der Boy neben ihm kommen. Wenn er es dann noch konnte. Große Worte machen war leicht, aber beweisen . . .
Mike Lister trank sein Glas leer und schaute nur stumm den wuchtigen Mann neben sich an. Dieser schien bereits wieder in Gedanken zu sein; wie und wo er schnell zu Geld kommen konnte. Stur blickte er vor sich hin.
„Träumer!" dachte Mike Lister. Laut aber sagte er: „Nat, ich habe noch etwas zu erledigen! Gegen Mittag bin ich jedoch wieder zurück!"
Der Angesprochene blickte nur kurz auf. Als er Mike Lister durch die Tür verschwinden sah, fiel er wieder ins Brüten. Es waren keine freundlichen Gedanken, die sich hinter der durchfurchten Stirn des Mannes befanden. — Noch einmal lebte das eben über- standene Fiasko von Bringhton in ihm auf. Das plötzliche Auftauchen der verhaßten Polizeiboote hatte einige seiner borstigen Haare grau werden lassen. Der qualvolle Kampf mit dem nassen Element zeichnete sich heute noch in seinen Gesichtszügen wider. Um seine tiefliegenden Augen lagen breite Schatten. Seine Lippen waren blutleer und nur noch zwei schmale Striche. — Aber nicht nur das Äußere des ehemaligen Rauschgiftschmugglers hatte sich verändert. — Mehr noch! — In Nat Fraeser, denn dieser Mann war es, der sich nach seiner geglückten Flucht am Strande von Bringhton nach Londons Hafenviertel durchgeschlagen und durch Mike Lister Aufnahme in Frank Stones Gang gefunden hatte — waren auch die letzten kümmerlichen Gefühle von Humanität abgestorben. — Aus dem einst wilden, impulsiven Burschen, dem es nichts ausmachte, seine eigenen Freunde des Geldes wegen umzulegen, war eine reißende Bestie geworden.
Noch gnadenloser, noch brutaler strebte er seinem gesteckten Ziele zu: „Geld und Reichtum!" dafür wollte er von nun an sein „Ich" verkaufen.
Der Anfang dazu sollte heute nacht getan werden . . . Als Nat Fraeser mit einem brummigen Laut die schummrige Bar verließ, warf er einen verächtlichen Blick durch den kahlen Raum: ,Wie anders hatte er sich doch seine Rückkehr nach London vorgestellt!'
Doch dann wischte er diese trübe Erkenntnis fort. Ein Sprungbrett zum Vorwärtskommen benötigt jeder Mensch. Der Zufall hatte es ihm mit dieser Kaschemme in die Hand gegeben. Seine Chance zu nutzen, lag jetzt ganz allein an ihm. Nat Fraeser schwor sich, skrupellos jede sich ihm bietende Chance wahrzunehmen. Gegen drei Uhr erschien völlig aufgelöst Wachtmeister Challingham im Headquarter des Sonderdezernats bei Scotland Yard. Im Dienstzimmer Kommissar Morrys ließ er sich groggy auf einen Stuhl fallen und zerrte verzweifelt an seiner Krawatte herum.
„Nun C. C. — Ihnen muß ja jemand sehr kräftig auf die Zehen getreten haben. — Oder haben Sie etwa die ganze Undergroundfahrt stehend zurücklegen müssen?" empfing Kommissar Morry ihn scherzend, als er den schwitzenden Wachtmeister wortlos auf den Stuhl fallen sah, und heftete das Gutachten des Docs in einen
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