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Teufelsberg: Roman (German Edition)

Teufelsberg: Roman (German Edition)

Titel: Teufelsberg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Dannenberg
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beobachtete er sie genau.
    Er hat sie am Haken, dachte Friedrich.
    In seiner Zeit als Kriminalhauptkommissar im Betrugsdezernat hatte Friedrich zwei Typen von Betrügern zu unterscheiden gelernt, den warmen und den kalten. Der warme Betrüger suchte sich gutgläubige Opfer, denen er etwas aufschwatzte. Er stellte immer eine Nähe her, und zuweilen glaubte er den eigenen Geschichten. Wenn er aufflog, gelobte er Besserung, manchmal weinte er im Verhör.
    Der kalte Betrüger wurde kaum je gefasst. Anders als der warme Betrüger schwatzte er seinem Opfer nichts auf. Er setzte ihm einen giftigen Floh ins Ohr. Dann ging er auf Distanz. So erreichte er die vorsichtigen, die misstrauischen Menschen mit dem großen Geld. Meist agierte er als Wirtschaftskrimineller. Er war intelligent, manipulativ und, ohne es zu wissen, in der Tiefe seines Herzens voller Verzweiflung.
    Falko, das erkannte Friedrich, war ein kalter Betrüger.
    Nach der Tanztherapie ging Friedrich nicht mit den anderen zurück auf die Station, sondern schlich sich fort. Er fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten und machte einen Spaziergang durch die Eingangshalle. Dort bewunderte er die durchsichtigen Säulen, die sich weit oben zu Halbkugeln verbreiterten und das Dach bildeten, was aussah, als würde er unter einem Quallenschwarm stehen.
    Er wagte einen Schritt durch die Drehtür in den Vorhof, der voller Bäume war und sich nach außen hin weitete. Friedrich sog die Luft ein, in der Ferne hörte er die Avus rauschen, es roch nach Erde und Zigaretten. Neben dem Schild »Dies ist eine Nichtraucherklinik« stand ein Aschenbecher, an dem sich Patienten in Bademänteln versammelt hatten und rauchten. Der Park war noch nicht fertig, zwischen nackten Erdhaufen kurvte ein silbergrauer Pritschenwagen umher. Auch an einem Nebengebäude wurde noch gebaut, der Kran schwang seinen vergitterten Arm durch den Himmel.
    Einen Moment lang überlegte Friedrich, ob er nicht einfach mit dem Taxi nach Hause fahren sollte, nach Schöneberg, in die Hewaldstraße. Er hatte keine Lust, gleich wieder auf die Station zu gehen. Er schlenderte zum Zeitungskiosk. Dort traf er auf die dürre Frau mit der blondierten Föhnfrisur, Beate; sie holte sich gerade Zigaretten. Er wollte sie bitten, ihm Geld zu leihen, als ihm einfiel, dass ihn alle für dement hielten.
    Wozu brauche ich Geld?, dachte er. Er klaute den »Tagesspiegel«, schlenderte zu einer Sitzgruppe aus bunten Sesseln in der Nähe eines Springbrunnens und machte es sich bequem. Er lachte, er hatte das erste Mal in seinem Leben etwas gestohlen. Wenn die wüssten, dachte er, wenn die wüssten!
    Er schlug die Zeitung auf, wie immer zuerst den Lokalteil. Während seiner Abwesenheit hatte im Grunewald ein Wildschwein drei Menschen angefallen. In Neukölln war eine Postfiliale ausgeraubt worden und am Prenzlberg ein Juwelier. Ein Bundesländervergleich der Gütersloher Bertelsmann Stiftung hatte ergeben, dass Berlin die Hauptstadt der Armut war. Und der Berliner Bürgermeister hatte beschlossen, endlich die S-Bahn-Krise zu lösen.
    Nachdem er die Zeitung gelesen hatte, trat Friedrich an die Café-Bar und bestellte einen Espresso. Ihm gefiel die zierliche Tasse. Ein Atoll aus Schaum umschloss die schwarze Flüssigkeit. Er sah seine beiden alten Hände auf dem Tresen liegen, zwei Rinden. Er konnte sich nicht vorstellen, dass diese Hände noch da sein würden, wenn sein Geist vielleicht schon verschwunden war. Er schüttelte den Gedanken ab und schlürfte ein wenig beim Trinken. Danach leckte er sich die Zuckerkrümel von der Oberlippe. Seine Zunge stieß an den Schnauzbart.
    Ich muss ihn stutzen, dachte er. Warum hat Ursula nicht daran gedacht? Er freute sich schon auf ihr Gesicht, wenn Besuchszeit war.
    Als die Bedienung kassieren wollte, fragte Friedrich: »Sind wir noch auf dem Schiff?«, und ging davon, die Hände in den Hosentaschen. Er fühlte sich leicht und fröhlich.
    »Operation Teufelsberg«, sagte er leise zu sich selbst.
    Er beschattete Falko den ganzen Tag, aber erst am Abend, im Wintergarten, fand er etwas Neues heraus. Falko unterhielt sich mit Beate, es ging um eine Firma namens Denta Bion und eine Zahnklinik; sie redeten leise. Dann telefonierte Falko mit dem Handy, er sprach Schwyzerdütsch. Friedrich verstand nur wenig, er saß mit dem Rücken zu beiden. Er blieb sitzen, bis beide fortgegangen waren.
    Er starrte auf seine Knie. Seine braune Gabardinehose war voller Flecken. Warum hat Ursula meine Hose nicht gewaschen,

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