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Teufelszeug

Teufelszeug

Titel: Teufelszeug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Kettchen zu verbiegen und zu verdrehen. »Damit kannst du es
nicht reparieren. Für so was brauchst du wahrscheinlich eine Nadelzange. Mein Dad hat eine. Wetten, dass ich das in fünf Minuten repariert habe? Das kann ich gut - Dinge reparieren.«
    Jetzt drehte sich Lee endlich um und sah Ig an. Er musste nicht direkt fragen, Ig wusste auch so, was er wollte. Bei dem Gedanken, ihm das Kreuz zu geben, wurde Ig übel, und irgendetwas schien ihm den Hals zuzudrücken. Aber es gab nur eine Antwort, die es ihm erlauben würde, sich weiterhin für einen anständigen, selbstlosen Kerl zu halten.
    »Klar«, sagte Ig. »Nimm’s doch mal mit nach Hause, und schau, was du ausrichten kannst.«
    »Okay«, sagte Lee. »Ich werd’s reparieren, und am Sonntag gebe ich es ihr zurück.«
    »Ehrlich?«, sagte Ig. Er hatte das Gefühl, er bekäme einen Holzpflock in den Bauch gerammt, an dem eine Kurbel befestigt war, und jemand drehte daran und wickelte in aller Ruhe seine Eingeweide auf.
    Lee nickte und betrachtete wieder das Kreuz. »Danke. Das fände ich klasse. Ich hab gefragt, was dein Ding ist. Auf was für Mädchen du eben so stehst. Und die ist definitiv mein Typ. Sie hat so was an sich - die hat bestimmt noch kein Kerl außer ihrem Vater nackt gesehen. Weißt du, dass ich gesehen hab, wie sie gerissen ist? Die Halskette. Ich stand hinter ihr und hab versucht, ihr zu helfen. Sie ist hübsch, aber ein bisschen schnöselig. Ich glaube, die meisten hübschen Mädchen sind ein wenig schnöselig, bis jemand sie entjungfert. Na ja, das ist ja auch das Wertvollste, was sie jemals haben werden. Deswegen rennen ihnen auch die Jungs hinterher und denken dauernd an sie - sie träumen davon, der Erste zu sein. Aber wenn sie das hinter sich haben, können sie sich entspannen und sich wie ganz normale
Mädchen verhalten. Na, egal. Ich bin dir wirklich dankbar, dass du mir die Kette gibst. Jetzt weiß ich wenigstens, wie ich an sie rankomme.«
    »Kein Problem«, sagte Ig. Er hatte das Gefühl, etwas hergegeben zu haben, das weit mehr wert war als ein Kreuz an einem Goldkettchen. Natürlich hatte Lee eine Belohnung verdient, nachdem er Ig das Leben gerettet hatte, ohne dafür die gebührende Anerkennung zu erhalten. Aber Ig fragte sich, warum es ihm so gegen den Strich ging.
    Er sagte, Lee solle ihn mal besuchen, wenn es nicht regnete, dann könnten sie schwimmen gehen, und Lee sagte, dass er das tun würde. Ig fühlte sich irgendwie losgelöst von seiner eigenen Stimme, als käme sie von irgendwo anders her - aus dem Radio vielleicht.
    Lee war mit seiner Segeltuchtasche über der Schulter schon auf dem halben Weg zur Tür, als Ig bemerkte, dass er die CDs vergessen hatte. »Nimm deine Musik mit«, sagte er. Er war froh, dass Lee ging. Er wollte sich etwas hinlegen und ausruhen. Er hatte Bauchschmerzen.
    Lee blickt zum Bett hinüber und sagte dann: »Ich hab nicht mal einen CD-Player.«
    Ig fragte sich, wie arm Lee wirklich war - ob er in einer Mietwohnung oder einem Wohnwagen lebte, ob er nachts von Schreien und knallenden Türen geweckt wurde, wenn die Bullen den Säufer von nebenan verhafteten, weil er wieder mal seine Freundin geschlagen hatte. Noch ein Grund, es ihm nicht zu verübeln, dass er das Kreuz mitnahm. Ig verabscheute sich selbst dafür, dass er sich nicht für Lee freuen konnte, dass ihm sein Geschenk kein Vergnügen bereitete. Er war nicht glücklich, er war eifersüchtig.
    Er schämte sich so sehr, dass er anfing, in seinem Schreibtisch zu kramen. Als er sich wieder aufrichtete, hatte er den
tragbaren CD-Player in der Hand, den er zu Weihnachten bekommen hatte, und ein Paar Kopfhörer.
    »Danke«, sagte Lee, als Ig ihm den Discman gab. »Du musst mir das alles nicht schenken. Ich hab doch gar nichts getan. Ich stand bloß da und … du weißt schon.«
    Ig war selbst überrascht darüber, wie heftig er reagierte - wie leicht ihm plötzlich ums Herz wurde und wie stark seine Zuneigung zu dem mageren, blassen Jungen war, dem es so schwerfiel zu lächeln. Ig dachte an den Augenblick zurück, als er gerettet wurde. Von jetzt an war jede einzelne Minute ein Geschenk - ein Geschenk, das Lee ihm gemacht hatte. Er entspannte sich und konnte wieder frei atmen.
    Lee stopfte den Discman und die Kopfhörer und die CDs in seine Tasche, bevor er sie sich über die Schulter wuchtete. Ig stand im Obergeschoss am Fenster und sah ihm nach, wie er auf seinem Mountainboard über den glitzernden Asphalt den Hügel hinunterfuhr, während von den

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