Teuflisch erwacht
Toten.
»Josh, du hast die Frau getötet.«
Er packte sie härter und drückte sie im Flur gegen die Wand. Anna wich die Luft aus den Lungen. Seine Nähe zauberte ihr eine Gänsehaut auf die Arme. Sie tauchte in seine finstere Aura, als wäre sie ein Meer aus Eis. Seine Augen funkelten, als beherbergten sie die Sterne. Er war der Teufel und doch dem Engel in sich so nah, dass sich die Härchen an ihrem Arm aufrichteten.
»Und es interessiert mich genau so viel.« Er maß eine winzige Lücke mit Daumen und Zeigefinger ab. »Ich bin nicht dein Freund, Anna. Und jetzt vorwärts, bevor ich meine Liste der Opfer mit dir fortsetze.« Er ließ von ihr ab und verschwand durch die Haustür. Annas Herz schlug bis zum Hals, ihr rasender Puls klopfte schmerzhaft gegen die Schläfen. Sie atmete tief durch, stieß sich von der Wand ab und folgte ihm ins Freie.
Wenn es ein sicheres Naturgesetz auf diesem Planeten gab, dann sicher das, dass Josh Fingerless sie nicht zweimal bitten würde. Sie kämpfte den Impuls nieder, die Beine in die Hand zu nehmen und zu rennen. Marla musste allein klarkommen, denn ihr Augenmerk auf sie zu richten, könnte Josh auf dumme Gedanken bringen. Sie überquerte schnellen Schrittes den Innenhof, stieg in den Wagen und schenkte ihm einen heimlichen Blick.
Mit versteinerter Miene startete er den Motor.
Mit einem Schlag wünschte Anna, die Loa hätte sie geschnappt. Es gab nichts Schlimmeres, als dem Teufel einen Gefallen zu schulden, und Josh Fingerless übertraf den Fürsten der Hölle bei Weitem. Was auch immer geschehen würde, es konnte nichts Gutes verheißen und ihr Leben brachte den Tod aller anderen mit sich.
22. Kapitel
Die Späherin
R ebecca atmete auf. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht, den Job anzunehmen? Kein Geld der Welt konnte die Gefahr, der sie sich aussetzte, wert sein. Sie arbeitete das zweite Jahr für den englischen Beirat und observierte Verdächtige. Der Voodoopriester stand schon lange Zeit auf ihrer Abschussliste, aber für den RFBM schien er unwichtig zu sein. Sie scherten sich einzig darum, die Talente zu schützen, und dass jemand für schwarzen Hokuspokus Menschen opferte, war ihnen völlig egal, solange er keine Gabe besaß.
Sie spuckte auf den Boden, spähte um die Ecke in den verlassenen Innenhof und stellte sicher, dass ihr niemand folgte. Schnell huschte sie zum Gebäude. Etwas Schlimmes war geschehen. Die Erde hatte gebebt, sie hatte Schreie gehört und dann war ein Wagen vom Hof gejagt. Rebecca betrat den stickigen Hausflur. Ein verbrannter Geruch schlug ihr entgegen. Sie hüstelte und kämpfte das lähmende Gefühl in ihren Gliedern nieder. Es reichte, ein für alle Mal. Schön, den Rechtsbeirat kümmerte es nicht, was der Voodoopriester für Spielchen trieb, aber sie interessierte es. Sie war ein Mensch, ehemalige Polizistin, und wenn jemand Menschen tötete, dann hatte er dafür zu bezahlen. Notfalls würde sie die ehemaligen Kollegen informieren, auch wenn die den Zaubern nichts entgegenzusetzen hatten und sie Rebecca vermutlich als verrückt abstempeln würden.
Die Tür zur Wohnung, in der Salim hauste, stand sperrangelweit offen. Rebeccas Hand glitt zu der Stelle, an der ihre Waffe saß. Zögerlich zog sie die Pistole aus dem Holster und entsicherte sie. Sie hatte die Wohnung noch nie betreten und es graute ihr davor. Sie atmete tief durch, schüttelte die letzte Angst ab und schob sich an der Wand entlang in die Wohnung. Seichter Rauch stand im Korridor. Es war mucksmäuschenstill, sicher könnte man eine Stecknadel fallen hören. Die Ruhe verhieß nichts Gutes. »Salim?«, rief sie ins Halbdunkel. »Polizei. Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus. Sie besaß keine Dienstmarke mehr, aber der geübte Spruch ging wie Butter über die Lippen. Für die Art von Einsätzen, zu denen sie der Rechtsbeirat schickte, richtete eine Waffe wahrscheinlich nichts aus, trotzdem beruhigte sie.
Rebecca besaß keine aktive Kraft. Ihr Talent bestand darin, in die Vergangenheit zu blicken. Ein billiger Abklatsch der Seher. In der Polizeiarbeit hatte sie auf diese Weise so manchen Verbrecher überführt, aber bei Aktionen, die das Übernatürliche streiften, war es meist nutzlos. Und es hatte sie den Job gekostet.
Sie hatte damals in einem grausamen Mordfall ermittelt. In Hamburg geschahen laufend schreckliche Morde, aber dieser war anders gewesen. Die panisch geweiteten Augen der Toten hatten in ihren letzten Sekunden das Schlimmste gesehen. Sie war in
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