Teuflische Stiche
Staatsanwältin« angeschraubt worden war. Vorsichtig öffnete er und lugte durch den Spalt. Im Vorzimmer saß niemand, deshalb trat er einfach ein und klopfte an der zweiflügligen Verbindungstür. Er horchte, bekam aber kein »Herein« zu hören. Behutsam drückte er die Klinke hinunter und streckte seinen Kopf vor. Mit dem Rücken zu ihm stand die Frau, die ihm in den wenigen Tagen ihrer Amtszeit so viele Schwierigkeiten gemacht hatte, und goss ihre Blumen. Hat sie schon wieder nichts anderes zu tun, fragte er sich und sagte verhalten: »Guten Morgen.«
«Zu Ihren Verbrechern können Sie schleichen. Hier wartet man, bis man hereingebeten wird.«
» Ich habe geklopft.«
» Und wollten nicht warten. Was gibt es denn so Eiliges?« Sie stellte die Kanne ab und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. Ihrem Besucher bot sie keinen Stuhl an.
Während er trocken schluckte, schritt Konnert durchs Zimmer und hockte sich auf einen der Sessel, die um ein niedriges Tischchen herumstanden.
Bevor er etwas sagen konnte, legte die Staatsanwältin los: »Nachdem auch Stelzig mit einer Vergiftung ins Krankenhaus gekommen ist, liegt für Sie natürlich der Verdacht nahe, Renate Dreher und er seien mit derselben Substanz und vielleicht von derselben Person vergiftet worden. Meinen Sie das?«
» Der behandelnde Arzt hat mir gesagt, es habe weitere, ähnliche Vergiftungsfälle in den vergangenen Jahren gegeben. Ich bin hier, um Sie darum zu bitten, Einsicht in die Krankenakten zu beantragen.«
» Hat es Todesfälle gegeben?«
» Nach Aussage des Arztes hier in Oldenburg nicht. Aber er meint, sich an Todesfälle in Emden oder Lingen erinnern zu können.«
» Emden oder Lingen?« Sie betonte das Oder. »Das hätten Sie doch schon klären können.«
Konnert schwieg.
» Eigentlich sollte ich Ihnen das nicht sagen müssen, Krankenakten unterliegen strengem Datenschutz. Und in diesem Fall kann ich die Notwendigkeit, den Schutz aufzuheben, nicht sehen.«
Dann eben nicht, dachte Konnert und schluckte erneut. Ich bin nicht bereit, mit dir darüber zu diskutieren, und werde andere Wege finden, um an Informationen zu kommen.
» Wollten Sie noch etwas von mir?«
» Nein, das wäre es schon gewesen.«
» Zwei Stichworte stehen auf meiner Liste mit Ihrem Namen. Erstens: Es ist in öffentlichen Gebäuden nicht erlaubt zu rauchen. Auch nicht in Ihrem Büro. Dazu gibt es letztinstanzliche Urteile. Zweitens: Ich werde kein Disziplinarverfahren gegen Sie einleiten. Das haben Sie Ihrer Ehrlichkeit zu verdanken. In Zukunft werden Sie sich mehr Gedanken über die Folgen Ihrer Entscheidungen machen.«
Mit sichtbar um die Armlehnen verkrampften Händen versuchte Konnert, ruhig zu bleiben. Aber dann rutschte ihm doch ein sehr leise gesprochener Satz heraus: »Vielen Dank für die Belehrung.«
Auf dem Flur presste er die Lippen zusammen und ballte seine Fäuste in den Hosentaschen. Er bekam sein Feuerzeug zu fassen, griff in seine Jackentasche, holte Pfeife und Tabakbeutel heraus und stopfte sich eine Savinelli. Noch bevor er das Gebäude verließ, steckte er sie an und blies dicke Qualmwolken ins Treppenhaus. Sollte der Rauchmelder doch losgehen.
Paffend lehnte er am Auto und telefonierte. Dabei meinte er, in einem der oberen Fenster Frau Lurtz-Brämisch zu sehen, wie sie ihre Blumen goss und zu ihm hinabsah. Einarbeitungszeit, erinnerte sich Konnert, und hörte weiter Kilians Bericht zu.
***
Die erste Nachricht am großen Tisch war Babsis Krankmeldung. Sie fühle sich nicht gut, hatte sie Stephanie telefonisch mitgeteilt.
«Was hat sie denn? Sie ist doch sonst die Gesundheit selbst.«
» Sie ist immer noch gesund, Bernd.« Kilians Augen funkelten. »Hast du nicht mitbekommen, dass sie schwanger ist?«
» Ach nee. Gerade ein halbes Jahr verlobt, nicht verheiratet, und schon ist ein Kind unterwegs. Da wollte ihr Bodybuilder wohl nicht mehr warten. Sensationell. Großartig. Bodybuilder bildet Body.« Venske wollte sich vor Lachen nicht einkriegen.
» Was hast du herausgefunden, Kilian?« Konnert versuchte, einen weiteren Kommentar von Venske zu unterbinden.
» Im Krankenhaus haben sie mir natürlich keine Einsicht in die Krankenakten ermöglicht. Eine Stationsschwester hat mir augenzwinkernd den Tipp gegeben, mal im Tagesaufenthalt oder bei der Tafel nachzufragen.« Mit dem Zeigefinger zog er an seinem rechten unteren Augenlid. »An beiden Stellen habe ich dieselbe Auskunft bekommen. Die Vergiftungen haben immer Frauen betroffen, immer
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