Texas
unsere Erdwohnung errichten könnten.« Sie fuhr ihn an: »Ich will keine Verbesserungen. Ich will ein richtiges Haus mit vier Mauern.« Er lachte: »So ehrgeizig sind wir wieder nicht.«
Mit viel Mühe hackten Jubal, Yancey und der Kronk dicke Holzpfähle raus, um die Pfosten zu ersetzen, mit denen sie ihr Haus zusammengepaßt hatten, und langsam, eine Seite nach der anderen, fügten sie die schweren Stämme ein und verwandelten ihr dünnwandiges Erdhaus in ein massives.
Fremde, die man oft aufgefordert hatte, gegen die Indianer zu kämpfen, stellten mit einiger Verwunderung fest, daß ein richtiger Karankawa bei der Fähre wohnte, während die, die in der Gegend ihre Hütte hatten, den Anblick des bronzefarbenen Riesen mit den strahlend weißen Zähnen bald gewöhnt waren. Oft saß er mit Mattie auf der Veranda und sprach zu ihr mit Worten, die nur sie zu verstehen schien. Eines Nachmittags fragte sie ihn: »Warum seid ihr Karankawa Menschenfresser?« Mit vielen Gesten erklärte er ihr, daß sie es nicht aus Hunger taten, sondern als ein Ritual, mit dem der Sieg in der Schlacht gefeiert wurde, und weil sie im Herz, in der Leber und der Zunge eines tapferen Gegners, den sie erlegt hatten, eine Quelle des Mutes sahen:
»Hast du es auch schon einmal getan?« fragte sie. Er antwortete: »Gut, gut, wie Truthahn.«
Er wurde eine Art Hausdiener im Gasthof. Als Entgelt für seine Hilfe bekam er Nahrung und, soweit die Quimpers sie erübrigen konnten, Kleidung. Er bewährte sich vor allem als Jäger. Unter Jubals Anleitung lernte er, mit Pulver und Blei so sparsam umzugehen wie Quimper selbst. Wo er jetzt einen guten Jäger wie den Kronk an seiner Seite hatte, nahm Jubal Yancey nicht mehr mit, denn bei der Jagd war der Junge einfach nicht zu gebrauchen. In den langen Monaten dieses ersten Jahres, bevor Matties Mais herangereift war, gab es nichts als Fleisch zu essen. Sie hatten kein Mehl, um Brot zu backen, auch kein Salz, und Gemüse war noch nicht gewachsen.
Als Mattie an einem Sommertag des Jahres 1824 ihre Fähre über den Brazos stakte, sah sie im Westen eine Erscheinung, die ihre Aufmerksamkeit erregte. Später erzählte sie: »Anfangs dachte ich mir nichts dabei. Dunkle Wolken am Horizont. Aber nach einer Weile wurde mir klar, daß sie dunkler waren, als ich je welche gesehen hatte. Und sie bewegten sich auch nicht wie bei einem gewöhnlichen Regensturm. Sie hingen einfach da oben wie ein Vorhang.«
Es wurde immer dunkler. Mattie setzte ihren Fahrgast am anderen Ufer ab. »Mister, das kommt mir merkwürdig vor. Sehen Sie sich nach einem Unterschlupf um!«
Den ganzen langen Sommertag über blieben die dicken schwarzen Wolken regungslos am nordwestlichen Himmel hängen und schütteten eine enorme Menge Regen über die Erde aus, so daß der Brazos, als es zu dämmern begann, einen Anstieg von fast dreißig Zentimetern erfuhr. »Wenn es auch hier anfängt zu regnen«, meinte Jubal, »könnte der Fluß über seine Ufer treten.«
Als die ersten Regentropfen herunterspritzten, sagte Mattie zu den Männern: »Ich glaube, ich werde auf der Fähre bleiben... für alle Fälle.« Nachdem sie sie über den Fluß zu dem geschützteren Ankerplatz am Nordufer gestakt hatte, fiel der Regen nicht mehr in Tropfen, sondern in Strömen, und sie erkannte, daß sie auf dem Fährenfloß übernachten und sich von der tobenden Flußmitte fernhalten mußte. Ihr Haar, ihre
Kleidung, alles war von dem peitschenden Regen völlig durchnäßt. Große Bäume, im Nordwesten entwurzelt, begannen in der Strömung zu treiben; sie mußte geschickt manövrieren, um ihnen auszuweichen.
»Wird das Haus stehenbleiben?« fragte sie sich gegen Morgen, denn nun bestand kein Zweifel mehr, daß dies eine historische Flut war, weit mächtiger als die, deren Reste Jubal ihr am ersten Tag gezeigt hatte. »Gott gebe, daß sie unseren Hügel verschont!«
In der Mitte des Flußbetts bildeten die Wasser einen schäumenden, reißenden Strom. Die Flut stieg so hoch, daß sie Mattie und ihr Floß mehr als vier Kilometer weit landeinwärts schwemmte, bevor es ihr gelang, die Fähre an den Ästen einer Eiche festzubinden, deren Stamm sich auf einer Länge von zwei Metern unter Wasser befand.
Dort blieb sie zwei kalte Tage lang, bis sie sah, daß die Flut zurückzugehen begann, woraufhin sie die Fähre über die überschwemmten Felder bis zu dem Platz stakte, wo diese sonst immer festgemacht war. Nun fiel der Wasserstand rasch, und sie überquerte den Brazos.
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