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THARKARÚN – Krieger der Nacht

THARKARÚN – Krieger der Nacht

Titel: THARKARÚN – Krieger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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eigenem Willen fortgegangen ist. Doch sie hat geschworen, sie kenne den Grund nicht. Wir haben das ganze Elbenreich von oben bis unten nach ihr abgesucht, bevor wir Euch benachrichtigen wollten, aber wir haben keine Spur von ihr gefunden. Es wird weiterhin nach ihr gesucht, Herr, aber inzwischen haben wir Grund, das Schlimmste zu befürchten. Prinzessin Eletilla, eine schutzlose Frau und noch dazu in ihrem Zustand…«
    Er merkte, dass das Folgende möglicherweise zu viel für den General sein könnte, dessen Gesichtsausdruck schon genug sagte, und wartete ängstlich auf die Reaktion seines Gegenübers.
    Doch es kam keine. Amorannon Asduvarlun, der eiserne General, der sich niemals angesichts eines Feindes, einer Gefahr oder irgendeiner Schwierigkeit aus der Fassung bringen ließ, der, so verzweifelt die Lage auch war, immer kaltes Blut bewahrt hatte, war jetzt wie gelähmt. Seine Hände, die immer ruhig geblieben waren, zitterten, während sie die Depesche fest umklammerten.
    Adilean war aus dem Königspalast verschwunden, sie war aus irgendeinem unbekannten Grund geflohen. Sicher, sie trug eine Waffe bei sich, sie hatte sich Sarandons Schwert genommen, aber
das war doch nicht mehr als ein altes Erinnerungsstück, bestimmt war es keine magische Waffe und seit endloser Zeit hatte niemand mehr ihre Klinge geschärft. Nicht der erfahrenste Krieger hätte sich mit diesem Schwert wirksam verteidigen können, geschweige denn eine schutzlose, schwangere Frau. Und die Wachen von Astu Thilia waren bestimmt keine Horde von Idioten. Man konnte davon ausgehen, dass sie die Suche nach Adilean mit aller möglichen Sorgfalt und Gründlichkeit durchgeführt hatten. Man kannte ihn gut genug, um ihm niemals eine solche Nachricht zu schicken, wenn man nicht überzeugt war, dass keine Hoffnung mehr bestand. Adilean war verloren genau wie das Kind, das sie in ihrem Schoß getragen hatte. Das Einzige auf der Welt, was ihm geblieben war, das Einzige, was je ihm gehört hatte, war verloren.
    Am liebsten hätte er laut geschrien, hätte Rechenschaft von den Göttern gefordert, auf den Himmel geflucht und Anman herausgefordert. Oder er hätte gern den Boten angeschrien, der da verlegen vor ihm stand und den doch keine Schuld traf, oder den erstbesten Gegenstand in tausend Stücke zertrümmert, der ihm in die Finger kam. Aber er tat nichts dergleichen. Nur ein erschöpfter Seufzer kam über seine Lippen. War es Tharkarún mit seinem Sieg über ihn nicht gelungen, ihn zu brechen, so hatte es diese Nachricht geschafft.
    »Ihr habt Eure Pflicht getan«, sagte er mit tonloser Stimme. Eine höfliche, banale Phrase. »Geht jetzt und ruht Euch aus. Geht.«
    Der Soldat schien erleichtert, das zu hören. Er ging einige Schritte zurück, bevor er dem General den Rücken zuwandte und sich so schnell wie möglich entfernte, ohne dass es beleidigend wirkte. Der General rührte sich nicht und betrachtete das dunkle Meer der Kämpfenden unter ihm. Doch seine Augen nahmen nichts wahr. Sein Kopf war leer. Ihn erfüllte nichts als der furchtbare Gedanke, dass man ihm alles genommen hatte.

    So bemerkte er kaum, dass sich Lay Shannon neben ihn gestellt hatte. »Ich verstehe Euren Schmerz, General«, hörte er ihn sagen.
    Doch er starrte weiterhin ins Leere. Er wollte jetzt nicht Lay Shannons ausdrucksloses Gesicht vor sich haben, seine unnachsichtigen goldenen Augen, die unnatürlichen Zeichen auf seiner nackten Brust. Er wollte nichts mehr hören oder sehen. »Nein«, erwiderte er hart und warf die Depesche auf den Boden. »Nein, ehrwürdiger Shannon, Ihr versteht nichts, versucht gar nicht erst, es vorzugeben. Nicht bei mir.« Seine Hand schloss sich wieder um Ligiyas Knauf, eine beinahe instinktive Geste, und nur ein einziger Gedanke brach sich Bahn durch all diesen Schmerz. »Ich will meine Rüstung, Shannon«, verkündete er, und das war ein Befehl.
    »Wie bitte?« Shannon konnte diesmal sein Erstaunen nicht verbergen. »Was habt Ihr vor?«, fragte er.
    »Ich will meine Rüstung haben«, wiederholte Asduvarlun noch entschlossener und starrte dabei auf die Schlacht. »Mein Platz ist dort auf dem Feld, inmitten der Kämpfenden, in der Schlacht gegen den verdammten Kerl, der dies alles begonnen hat. Ich weiß, dass ich es schaffen werde, aufzustehen, und dass ich Euer Schwert dort hinuntertragen und Tharkarún noch einmal entgegentreten kann. Und selbst wenn ich sterben sollte, was macht das schon aus? Ich habe durch meinen Tod nichts mehr zu verlieren.

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