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THARKARÚN – Krieger der Nacht

THARKARÚN – Krieger der Nacht

Titel: THARKARÚN – Krieger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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länger ertragen.
    »Nein!«, schrie sie gellend auf. Sie gab dem Pferd die Sporen, zückte Cailín und preschte ohne weiteres Nachdenken auf Tharkarún zu. Was wollte sie tun? Vermutlich bloß sterben, aber das war ihr egal. Denn jetzt, wo sie ihren großen Fehler erkannt hatte, konnte sie nicht länger weiterleben. Vielleicht konnte sie die Gunst der Stunde nutzen und den Nekromanten überraschen und töten. Dass eine Frau das Schwert gegen ihn erheben würde, damit hatte sicher keiner gerechnet. Und die wenigen Sekunden ihres wilden und verzweifelten Ritts gegen Tharkarún, bei dem sie alles überrannte, was ihr im Weg stand, schienen endlos, wie eine Ewigkeit. In diesen Sekunden zog ihr ganzes Leben an ihr vorbei, das ihr nun wie ein Traum vorkam. Wie in einer Abfolge von stehenden Bildern nahm sie wahr, dass Tharkarún mit der einen Hand das Schwert aus dem Körper ihres Verlobten zog, sich zu ihr umwandte und mit der anderen Hand den Zauberstab hochreckte. Als sie den stechenden Blick unter dem breitkrempigen Hut bemerkte, wusste sie, was nun kommen würde, und hielt trotzdem auf ihn zu. Sie zügelte ihr Pferd nicht, warf sich nicht zu Boden, um auszuweichen, sondern ließ die Zügel los und breitete die Arme aus, so wie es Amorannon getan hatte. Tharkarún blieb stumm, doch ein grellweißer Lichtblitz traf Adilean mit unerwarteter Wucht mitten in die Brust. Er warf sie aus dem Sattel und riss sie zu Boden und dabei wurde Sarandons magisches Schwert weit von ihr weggeschleudert.
    Endlich das Richtige, dachte Adilean noch. Vielleicht das einzig Richtige.
    Lisannon Seridien musste einen Entsetzensschrei unterdrücken, als er sah, wie Tharkarúns Schwert sich durch Amorannons Rüstung
bohrte. Oberst Ghandar und alle anderen auf der Mauer starrten fassungslos zurück zur leeren Trage, die der General auf der Großen Mauer hinterlassen hatte. Hätten sie ihn aufhalten sollen? Sie wussten, dass niemand das vermocht hätte. Doch Lisannon war nicht klar, warum er das getan hatte, es konnte einfach nicht wahr sein, niemand konnte den eisernen General besiegen. Seine Augen mussten ihm einen Streich gespielt haben, nein, er hatte Amorannon Asduvarlun nicht sterben sehen, niemand würde ihn das glauben machen können.
    Den Schrei der Frau nahm er kaum wahr, und das nicht, weil er nicht laut genug oder zu überraschend war. Wer hätte den General bei seinem Vornamen rufen sollen? Das Verhalten des Elbenobersts hatte einen anderen Grund: Direkt neben ihm hatte plötzlich jemand heftig aufgestöhnt, als ob er ein Messer in die Rippen gestoßen bekommen hätte und ihm vor Schmerz die Luft wegblieb.
    Lay Shannon hatte seine gewohnte Gelassenheit verloren und stützte sich keuchend an der Brüstung ab. Unsägliche Qual verzerrte seine Züge. Seine Finger umklammerten das Einzige, womit er sich auf den Beinen halten konnte. Lisannon Seridien vergaß alles andere, eilte ihm zu Hilfe und nahm den kalten ausgezehrten Körper in die Arme – den sonst so starken Körper des obersten Schwarzen Hexers, der jetzt schwach und zerbrechlich wirkte. Lay Shannon in diesem Zustand zu sehen, war genauso unvorstellbar wie der Tod des Generals.
    »Ehrwürdiger Shannon«, flüsterte Lisannon dem Dämon ins Ohr, so freundlich er konnte, und doch fühlte er sich plump und steif dabei. »Ehrwürdiger Shannon, was ist geschehen?«
    Mittlerweile war der Schwarze Hexer wieder zu Atem gekommen, er befreite sich aus Lisannons besorgtem Griff, so als wäre es ihm lästig, auch nur eine Sekunde lang auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Aber sein Atem ging weiterhin schwer und auch sein Gesicht brauchte noch eine Weile, um sich zu entspannen. Nicht nur Lisannon starrte ihn bestürzt an und wartete auf eine
Erklärung, auch die Bogenschützen, die Artilleristen der Bombarde und selbst Ulf Ghandar waren fassungslos. Lay Shannon strich sich mit einer mechanischen Geste eine Strähne hinter das Ohr.
    »Ligiya ist zerbrochen«, brachte er mühsam heraus. »Anman der Barmherzige möge uns alle beschützen! Nun beginnt wirklich die Nacht.«

SECHSUNDSECHZIG
    D AS FLÄMMCHEN IN Fariks Handfläche flackerte und erlosch. Der eben noch erleuchtete Saal des Uneinnehmbaren Hortes, in dem sie sich gerade befanden, wurde schlagartig stockfinster. Morosilvo hatte inzwischen aufgegeben, mitzuzählen, so viele Säle hatten sie schon durchquert. Man glaubte die bleischwere Dunkelheit auf der Haut spüren zu können, sie fühlte sich an wie eine klebrig-glitschige Masse.

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