THARKARÚN – Krieger der Nacht
daran, dass die Angeln normalem Sprengstoff standhalten würden, schließlich war der Konstrukteur
der Tür ja kein Dummkopf gewesen. Aber er war ein Profi und außerdem hieß er Pelcus Vynmar. Es gab keine Tür, die seinem speziellen Sprengstoff standhalten konnte. Er hatte der Mischung ein paar kleine Verbesserungen hinzugefügt, und obwohl er, als er sie ausprobierte, zwei Finger seiner rechten Hand verloren hatte, hatte es sich für ihn gelohnt. Außerdem war er mit beiden Händen gleich geschickt. Sicher, er hätte den Sprengstoff lieber nicht in einem unterirdischen Tunnel eingesetzt, den er selbst gegraben und den er nicht mit Eisenstreben abgestützt hatte. Schließlich wollte er nicht lebendig begraben werden. Aber er war nicht so weit gekommen, um jetzt aufzugeben. Wenn Sprengstoffladungen der einzige Weg waren, würde er nicht zögern, sie zu benutzen.
Deshalb überprüfte er noch ein letztes Mal ihre Anordnung, holte Zünder und Zündhölzer hervor und steckte die Lunte in Brand. Dann wich er nach hinten in den Tunnel zurück. Die Lunte brannte drei Minuten, eine Zeit, in der er die Sekunden zählte und die ihm zwar immer zu lang vorkam, doch seine Lehrmeister, sein gesunder Verstand und der Verlust seiner beiden Finger hatten ihn gelehrt, dass eine zu lange Zündschnur zwar lästig, eine zu kurze aber tödlich sein konnte. Man war besser vorsichtig. Nicht zuletzt dank seiner Besonnenheit war er als Dieb im Zwergenreich berüchtigt. Er kauerte sich ganz hinten im Stollen zusammen und wartete mit einer gewissen, leider unvermeidlichen Furcht ab.
Dann schien die Tür in einer weißen undurchdringlichen Wolke zu explodieren. Und sie öffnete sich.
Pelcus verlor keine Zeit damit, darüber nachzudenken, dass die Ladungen früher als vorhergesehen explodiert waren. Er musste wohl aus Versehen eine der Lunten verwendet haben, die er sonst für seine Experimente nutzte. Doch das war jetzt unwichtig, nur das Ergebnis zählte: Die Tür war aus den Angeln gehoben und sein Tunnel hatte standgehalten. Der Stollen war fest, nur einige Erdbrocken fielen von der Decke. Ganz vorn im Tunnel verhüllte
eine dichte Staubwolke die weit offen stehende Tür. Pelcus richtete sich auf und ging triumphierend darauf zu. Er meinte, mit seinen an die Dunkelheit gewöhnten Zwergenaugen ein schwaches Funkeln gesehen zu haben, vielleicht von einem besonders großen Diamanten. Er lächelte in sich hinein. Genau dafür hatte er die beiden größten Beutel mitgebracht, die er besaß. Die Erdschollen knirschten unter seinen Füßen, während er die Tür durchschritt und den Raum betrat. Er holte erneut Zündhölzer aus der Tasche und bald flackerten zwei Fackeln zu beiden Seiten der Tür und erhellten mit ihrem Schein das Innere des Lagerraumes.
Sofort überkam Pelcus Vynmar der heftige Wunsch, die beiden Fackeln wieder zu löschen.
Säcke mit Diamanten konnte er in dem großen Raum nicht erkennen. Stattdessen stand dort ein großes Bataillon Soldaten eines Zwergenregimentes, mindestens fünfzig Mann. Sie schwangen Bolas durch die Luft und zielten mit Armbrüsten, Musketen und sogar einer kleinen Kanone auf Pelcus. Ihr Anführer war sehr groß für einen Zwerg, von kräftiger Statur, hatte einen dichten roten Bart, eine Adlernase und hellblaue Augen. Außerdem sah man, dass eine schwere Verletzung ihm das halbe Gesicht weggerissen hatte. Er grinste höhnisch und Pelcus erkannte ihn sofort als Ulf Ghandar, genannt »Narbengesicht«, Oberst der Steinwache. Seine Verletzung »verdankte« er einer von Pelcus’ Sprengladungen. Vom Augenblick der Explosion an hatte er sein Leben nur dem Ziel gewidmet, ihn in die Finger zu bekommen. Pelcus wusste zwar nicht, wie er es geschafft hatte, aber diesmal war er diesem Ziel zweifellos sehr nah gekommen. Und ganz sicher wollte Ghandar ihn nicht brüderlich umarmen.
»Willkommen, Pelcus«, begrüßte ihn Ghandar. »Was hältst du von deinem Begrüßungskomitee?« Er deutete auf den Trupp Soldaten, der auf diese Geste hin prompt die Armbrüste spannte und die Büchsen lud.
Pelcus Vynmar antwortete nicht. Er überlegte fieberhaft. Der
Raum hatte außer der Tür, die er selbst aus den Angeln gehoben hatte, und dem in die Decke eingelassenen Lastenaufzug, der jedoch genau über den Köpfen der Wachen hing, keine anderen Ausgänge. Was die Möglichkeit betraf, durch die Tür zu fliehen: Um nichts in der Welt hätte er diesem Wald aus Waffen den Rücken zugewandt. Ghandar hätte bestimmt keinerlei
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