The Green Mile
hässlichen grünen Sofa vor dem Fernseher einfach eingeschlafen, während Francis, das sprechende Maultier, einmal mehr Donald O’Connors Bratpfanne aus dem Feuer zieht, John Wayne in Dodge aufräumt oder Jimmy Cagney jemanden als dreckige Ratte bezeichnet und dann eine Pistole zieht. Einige dieser Filme habe ich früher mit meiner Frau Janice gesehen (die nicht nur meine Herzensdame, sondern meine beste Freundin war), und sie beruhigen mich. Die Kleidung der Schauspieler, die Art, wie sie gehen und reden, und sogar die Filmmusik – all das beruhigt mich. Ich nehme an, es erinnert mich an die Zeit, in der ich noch ein Mann war, der mitten im Leben steht, und nicht ein von Motten zerfressenes Relikt, das in einem Altenheim verschimmelt, in dem viele der Bewohner Windeln und Gummihosen tragen.
An dem, was ich an diesem Morgen sah, war jedoch nichts Beruhigendes. Überhaupt nichts.
Elaine leistet mir manchmal Gesellschaft beim sogenannten Frühaufsteher-Matinee von AMC, die um vier Uhr morgens anfängt. Sie redet nicht viel darüber, aber ich weiß, dass ihre Arthritis ihr grässlich zusetzt und die Medikamente, die man ihr gibt, nicht mehr viel helfen.
Als sie an diesem Morgen wie ein Geist in ihrem weißen Frotteemorgenmantel hereinschwebte, saß ich auf dem schäbigen Sofa, neigte mich über die dürren Stelzen, die mal Beine gewesen waren, umklammerte meine Knie und versuchte, das Zittern zu unterdrücken, das meinen ganzen Körper erfasst hatte. Ich fror, abgesehen von meinem Unterleib, der mit dem Geist des Harnweginfekts zu brennen schien, der mir das Leben im Herbst 1932 so schwer gemacht hatte – im Herbst von John Coffey, Percy Wetmore und Mr. Jingles, der dressierten Maus. Es war auch der Herbst von William Wharton gewesen.
»Paul!«, rief Elaine und eilte zu mir – jedenfalls so schnell es die rostigen Nägel und das zermahlene Glas in ihren Hüften zuließen. »Paul, was ist los?«
»Das geht schon alles wieder in Ordnung«, versicherte ich, aber die Worte klangen nicht sehr überzeugend – sie kamen ungleichmäßig zwischen Zähnen hervor, die klappern wollten. »Gib mir nur einen Moment Zeit, dann läuft’s bei mir wieder wie geschmiert.«
Sie setzte sich neben mich und legte einen Arm um meine Schultern. »Bestimmt«, sagte sie. »Aber was ist passiert? Um Himmels willen, Paul, du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
So ist es, dachte ich, und merkte erst dann, dass ich es tatsächlich ausgesprochen hatte, als Elaine mich mit großen Augen anstarrte.
»Keinen echten«, sagte ich und tätschelte ihre Hand (sanft, so sanft!). »Aber einen Augenblick lang, Elaine – o Gott!«
»Kam er aus der Zeit, als du Wärter in dem Gefängnis warst?«, fragte sie. »Aus der Zeit, über die du im Wintergarten geschrieben hast?«
Ich nickte. »Ich arbeitete dort, was man den Todesblock nennt …«
»Ich weiß …«
»… doch wir nannten ihn die Green Mile. Wegen des grünen Linoleumbodens. Im Herbst 32 bekamen wir diesen Typen – diesen Wilden – namens William Wharton. Hielt sich für Billy the Kid, hatte es sogar auf seinen Arm tätowiert. Nur ein Junge, aber gefährlich. Ich kann mich noch erinnern, was Curtis Anderson – der stellvertretende Direktor damals – über ihn geschrieben hatte. ›Wild-verrückt und stolz darauf. Wharton ist neunzehn Jahre alt, und diesem Mann ist einfach alles egal.< Den Teil hatte Anderson unterstrichen.«
Die Hand, die sich um meine Schultern gelegt hatte, streichelte jetzt meinen Rücken. Ich wurde ruhiger. In diesem Moment liebte ich Elaine Connelly, und ich hätte ihr ganzes Gesicht abküssen können, als ich ihr das gestand. Vielleicht hätte ich es tun sollen. Es ist in jedem Alter schrecklich, allein und verängstigt zu sein, aber ich finde, es ist am schlimmsten, wenn man alt ist. Doch ich hatte andere Dinge im Sinn, diese Bürde an alten und noch unerledigten Sachen. »Du hast recht«, sagte ich, »ich habe beschrieben, wie Wharton zum Block kam und Dean Stanton beinahe umbrachte – einen der Jungs, mit denen ich damals zusammenarbeitete.«
»Wie war das möglich?«, fragte Elaine.
»Bösartigkeit und Nachlässigkeit«, erklärte ich grimmig. »Wharton war die Bösartigkeit, und die Wärter, die ihn hereinbrachten, sorgten für die Nachlässigkeit. Der entscheidende Fehler war die Kette zwischen Whartons Handfesseln – sie war ein wenig zu lang. Als Dean die Tür von Block E aufschloss, war Wharton hinter ihm. Links und rechts von ihm
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