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The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition)

The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition)

Titel: The Longest Way: 4646 Kilometer zu Fuß durch China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Rehage
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erscheint hinter mir. Er blickt erst mich mit großen Augen an und dann sie, und als ich die Hand hebe und ihn bitte, kurz anzuhalten, sieht er vollends verwirrt aus.
    Meine Frage nach der kriechenden Frau wischt er beiseite. »Die ist verrückt«, sagt er und grinst schief. »Einfach ignorieren!«
    Verrückt? Dieser Gedanke ist mir noch gar nicht gekommen. Legen sich Verrückte denn Handschuhe und Knieschoner an, bevor sie irgendwo herumkriechen?
    »Die ist verrückt«, wiederholt der Mann noch einmal, als er merkt, dass ich zögere. Zur Bekräftigung macht er eine wedelnde Handbewegung vor seinem Gesicht.
    »Aber sollten wir ihr dann nicht helfen?«
    »Nicht wir, sondern die von der Regierung! Die machen das schon, geh einfach weiter!«
    Zum Abschied gibt es noch einmal das Handwedeln in Richtung der Frau und einen erhobenen Daumen für mich. Dann ist er weg, und ich höre nur noch das schabende Geräusch ihres Kriechens und das Brummen des näher kommenden Verkehrs. Ich mache ein Foto von der Frau, dann murmele ich leise: »Entschuldigung«, und als sie auch jetzt den Kopf nicht hebt, gehe ich meinen Weg weiter, der Provinz Gansu entgegen. Wie weit noch, zwanzig Kilometer vielleicht? Dreißig?
    Mein erstes Abendessen in Gansu ist wie eine Belagerung. Ich habe die Provinzgrenze in der Abenddämmerung überschritten und mich an den Schildern erfreut, die mich aus Shaanxi verabschiedeten (»Sie verlassen Shaanxi – gute Reise!«) und in Gansu willkommen hießen (»Sie betreten das friedliche Land von Gansu!«).
    Dann bin ich in das erste Gasthaus in dem ersten Dorf gegangen und habe mir das erste Gericht auf der Karte bestellt. Nudeln, wie immer. Und dann begann die Belagerung.
    Es sind mehr als ein Dutzend Kinder. Sie pressen ihre kleinen Gesichter von außen ans Fenster und kommentieren alles, was ich mache. Ich kann ihre hohen Stimmen durch die Scheibe hören.
    »Er isst Nudeln!«
    »Er trinkt Cola!«
    »Er hat einen Bart!«
    Der Wirt rennt zur Tür und verscheucht sie in gespieltem Ärger, doch ich erkläre ihm, dass sie mich nicht stören. Im Gegenteil.
    Als ich gehe, kommen sie mit.
    »Onkel, warum bleibst du nicht in unserem Dorf?«, fragen sie, während ich auf die linke Straßenseite wechsele, um den Verkehr im Auge zu behalten. Doch noch bevor ich es ihnen erklären kann, kommt aus einem kleinen Kindermund schon die nächste Frage: »Warum laufen wir auf der falschen Straßenseite?«
    Einer der älteren Jungen stöhnt bei so viel Unwissenheit genervt auf: »Das ist doch ganz klar!«, verkündet er und blickt mit größter Wichtigkeit in die Runde. »Die im Ausland fahren doch auf der anderen Seite als wir!«
    »Oh!«, macht die Runde.
    Ich lasse sie bis zu einem Kiosk in Sichtweite des Dorfes mitlaufen, dann will ich sie wieder nach Hause schicken. Doch sie lassen sich nicht so einfach abwimmeln. Ob ich denn gar nicht vorhätte, ein Foto zu machen?
    Ein kleiner Junge ist bisher still geblieben, und ich frage ihn, ob er nicht Lust habe, mir bei einem Foto zu helfen. »Kannst du dreißig Sekunden lang gerade stehen, ohne dich zu bewegen?«
    Er strahlt.
    Während ich die Kamera auf dem Stativ anbringe, gucken mir die anderen zu. Unser Fotomodell ist schon vorgelaufen, denn ersoll als Silhouette vor der Tür des Kiosks stehen. In der sinkenden Dunkelheit und mit dem Lichtschein, der aus der Tür und aus dem Fenster fällt, sieht das Gebäude aus wie eine riesige Laterne. »Jetzt!«, rufe ich, dann klackt der Auslöser, und alle halten den Atem an. Dreißig Sekunden sind eine lange Zeit. Der Junge ist völlig regungslos. Dann klackt die Kamera endlich ein zweites Mal, es gibt ein Dutzend hoher Jauchzer, als das Bild auf dem Display der Kamera erscheint, und ich rufe den Kleinen zurück.
    Am nächsten Morgen werde ich zum ersten Mal in meinem Leben vom Krähen eines Hahns geweckt. Ich liege in meinem Schlafsack auf einer Pritsche im Hinterraum einer Apotheke. Im Fenster sind grün leuchtende Risse.
    Nachdem ich mich von dem Ehepaar verabschiedet habe, das mich bei sich aufgenommen hat, kaufe ich mir Vorräte für einen langen Lauftag. Seit Xi’an ist der Weg auf über tausend Höhenmeter angestiegen, und auf der Karte sieht es so aus, als ob ich heute einen Pass überqueren und ein lang gestrecktes, niedriges Gebiet erreichen werde, das bis nach Pingliang führen wird.
    Erst als ich das Dorf verlasse, fällt mir auf, dass es Feiyun heißt – »fliegende Wolke«. Ich blicke nach oben, doch der Himmel ist

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