The Stand. Das letze Gefecht
sie allem gegenüber viel feinfühliger war als er? Er hatte seine Mutter verloren und sie den Mann, der ihren Mercedes vorgefahren hatte, aber irgendwie schien ihr Verlust angeblich größer zu sein. Das war Scheiße. Schlicht und einfach Scheiße.
»Bitte sei nicht böse auf mich«, sagte sie. »Ich versuche mich zu bessern.«
Das hoffe ich. Das hoffe ich wirklich.
»Du bist großartig«, sagte er und half ihr auf die Beine. »Komm jetzt. Was meinst du? Wir haben viel vor uns. Fühlst du dich dazu imstande?«
»Ja«, sagte sie, aber ihr Gesichtsausdruck war derselbe wie eben, als er ihr die Eier angeboten hatte.
»Wenn wir aus der Stadt sind, geht es dir wieder besser.«
Sie sah ihn unverhohlen an. »Wirklich?«
»Klar«, sagte Larry aus tiefstem Herzen. »Auf jeden Fall.«
Sie gingen ins erste Haus am Platz.
Manhattan Sporting Goods war verschlossen, aber Larry schlug mit einem langen Eisenrohr, das er gefunden hatte, ein Loch ins Schaufenster. Der Einbruchalarm heulte sinnlos in die verlassene Straße. Er stellte ein großes Bündel für sich und ein kleineres für Rita zusammen. Sie hatte ihnen beiden zweimal Kleidungsstücke zum Wechseln eingepackt - mehr duldete er nicht -, die trug er in einer Reisetasche von PanAm, die sie im Schrank gefunden hatte, zusammen mit den Zahnbürsten. Die Zahnbürsten kamen ihm etwas absurd vor. Rita hatte sich für den Fußmarsch sportlich gekleidet weiße Seidenhose und Chiffonbluse. Larry trug verwaschene Jeans und ein weißes Hemd, dessen Ärmel hochgekrempelt waren. Sie luden gefriergetrocknete Lebensmittel in die Rucksäcke, sonst nichts. Es hatte keinen Sinn, sagte Larry ihr, sich mit unnützem Zeug zu belasten - einschließlich Kleidung -, wo sie sich doch auf der anderen Seite des Flusses einfach nehmen konnten, was sie wollten. Sie stimmte ergeben zu, und ihr mangelndes Interesse brachte ihn erneut auf die Palme.
Nach einem kurzen, inneren Streitgespräch mit sich selbst, packte er auch eine doppelläufige Flinte Kaliber 30 und hundert Schuss Munition ein. Es war ein wunderschönes Gewehr; auf dem Preisschild, das er vom Abzug riß und gleichgültig auf den Boden fallen ließ, stand vierhundertfünfzig Dollar.
»Glaubst du wirklich, daß wir die brauchen?« fragte sie furchtsam. Sie hatte ihre Zweiunddreißiger immer noch in der Handtasche.
»Ich glaube, wir sollten sie lieber mitnehmen«, sagte er ihr; mehr wollte er nicht sagen, aber er mußte an das häßliche Ende des Monster-Schreiers denken.
»Oh«, sagte sie mit leiser Stimme, und er sah ihren Augen an, dass sie ebenfalls daran dachte.
»Der Rucksack ist nicht zu schwer für dich, oder?«
»O nein. Auf keinen Fall. Nein.«
»Die Dinger werden mit der Zeit schwerer. Sag einfach Bescheid, dann trage ich ihn eine Weile für dich.«
»Ich schaffe es«, sagte sie und lächelte. Als sie wieder auf dem Gehweg standen, sah sie in beide Richtungen und sagte: »Wir verlassen New York.«
»Ja.«
Sie drehte sich zu ihm um. »Ich bin froh. Ich komme mir vor wie... oh, als ich ein kleines Mädchen war. Und mein Vater sagte: >Heute machen wir einen Ausflug.< Kannst du dich auch erinnern, wie das war?«
Larry lächelte ebenfalls verhalten und dachte an die Abende, wenn seine Mutter gesagt hatte: >Der Western, den du sehen wolltest, läuft unten im Crest, Larry. Mitchum und Palance. Was meinst du?<
»Ich kann mich erinnern«, sagte er.
Sie streckte sich auf Zehenspitzen und rückte den Rucksack etwas auf den Schultern zurecht.
»Der Anfang einer Reise«, sagte sie, und dann so leise, daß er nicht sicher war, ob er richtig verstanden hatte: » Die Straße gleitet fort und fort ...«
»Was?«
»Das ist ein Zitat von Tolkien«, sagte sie. » Der Herr der Ringe . Ich habe es immer als eine Art Tor ins Abenteuer betrachtet.«
»Je weniger Abenteuer, desto besser«, sagte Larry, aber er verstand fast gegen seinen Willen, was sie meinte.
Sie betrachtete immer noch die Straße. Hier, an dieser Kreuzung, war sie ein schmaler Canyon zwischen hohen Steinmauern und Abschnitten mit Thermopanescheiben, in denen sich die Sonne spiegelte, und von meilenlangen Autoschlangen verstopft. Es war, als hätte sich ganz New York gleichzeitig überlegt, auf der Straße zu parken.
Sie sagte: »Ich war in Bermuda und England und Jamaica und Montreal und Saigon und in Moskau. Aber einen Ausflug habe ich nicht mehr gemacht, seit ich ein kleines Mädchen war und mein Vater mich und meine Schwester Bess in den Zoo mitgenommen hat.
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