The Walking Dead 3: Roman (German Edition)
loszureißen und den Blick abzuwenden. Er hebt seine Waffe auf, steckt sie wieder ein und holt tief Luft.
»Gut gemacht«, lobt Lilly mit widerwilliger Sanftmut in der Stimme, als sie vorsichtig auf den glitschigen Baumstamm steigt und zu ihm klettert. »Hier … Reich mir deine Hand.«
Sie hilft Austin wieder auf die Beine, hält ihn fest, dass er auf dem glitschigen Moos nicht gleich wieder ausrutscht. Er versucht, wieder Atem zu schöpfen und das Grauen zu überwinden, dann blickt er ihr in die Augen. »Das war verdammt knapp.« Er setzt ein nervöses Grinsen auf. »Das Ding hätte dich um ein Haar gehabt.«
»Yeah … Gott sei Dank warst du da, quasi mein Retter in der Not«, erwidert sie mit einem Lächeln, obwohl ihr Herz noch immer heftig pocht.
» LILLY !«
Martinez’ dröhnende Stimme unterbricht den Moment und lenkt Lillys Aufmerksamkeit auf sich. Sie wirft einen Blick über die Schulter.
In kaum dreißig Meter Entfernung, durch eine Lücke in den Bäumen, sieht sie eine Dunstglocke aus schwarzem Rauch. Martinez und Gus haben den Unfallort gefunden.
»Jetzt aber los, Schönling«, mahnt Lilly ihn voller Nervosität durch zusammengebissene Zähne. »Schluss mit der Ruhepause, wir müssen arbeiten.«
Der Helikopter liegt seitlich in einem vertrockneten Bachlauf. Aus seinem kaputten Treibstofftank quellen schwarze Wolken. Weit und breit sind keine Überlebenden – oder Toten – in Sicht. Lilly nähert sich vorsichtig, muss husten und wedelt sich dann die Rauchwolken aus dem Gesicht. Sie sieht, wie Martinez auf das Cockpit zugeht, immer schön in der Hocke mit der Hand über dem Mund. »Sei vorsichtig!« Lilly zückt ihre Waffe und fährt dann fort: »Du weißt doch gar nicht, was da drin ist!«
Martinez berührt den Helikopter und verbrennt sich, sodass seine Hand augenblicklich zurückzuckt. »Verdammte Scheiße!« , entfährt es ihm.
Lilly geht ein paar Schritte auf das Wrack zu. Der Rauch lässt ein wenig nach, öffnet sich wie ein Vorhang, um den Blick auf den zerwühlten, verbrannten Boden des Unfallorts freizugeben. Es sieht fast so aus, als hätte der Pilot sich absichtlich diesen Ort für den Absturz ausgesucht, denn der Boden des Bachbetts ist richtig schön weich und flexibel. Der Absturz hat tiefe Narben in die mit Blättern bedeckte Umgebung gerissen. Der Hauptrotor ist abgerissen und liegt jetzt wie zu einem Knoten gebunden in fünf Metern Entfernung zum Helikopter.
»Gus! Austin! Immer schön die Augen aufhalten. Wir wollen keine ungebetenen Gäste!« Martinez deutet auf den Kiefernwald, der sich den Hang entlangstreckt. »Bei dem Lärm wird es nicht lange dauern, bis ein ganzer Schwarm hier auftaucht!«
Gus und Austin drehen sich um und richten die Läufe ihrer Waffen in die Dunkelheit der dicht zusammenstehenden Bäume.
Lilly geht noch näher an das Wrack heran. Die Hitze brennt in ihrem Gesicht. Der Rumpf des Helikopters liegt seitlich auf dem Boden, die Heckflosse und der hintere Rotor sind völlig verformt. Eine Kufe ist abgerissen, als ob man sie mit einem riesigen Dosenöffner abgetrennt hätte. Lange Risse ziehen sich über das Dach und über die völlig beschlagenen Scheiben – es ist schwer zu sagen, ob es an dem Rauch in der Kabine oder an hyperventilierenden Insassen liegt, denn der Blick ins Innere ist verwehrt. Ruß verdeckt sämtliche Markierungen auf dem Rumpf, aber Lilly erkennt ein paar Buchstaben entlang des Hecks. Da steht ein W und vielleicht ein R … aber mehr kann sie nicht ausmachen.
Als der Lärm des Feuers abklingt, hebt Martinez plötzlich eine Hand. Er kann gedämpfte Schreie hören, die aus dem Cockpit zu kommen scheinen. Geduckt nähert er sich vorsichtig dem Ursprung der Geräusche.
Lilly folgt ihm, die beiden Ruger in den Händen, entsichert und schussbereit. »Sieh dich vor!«, ermahnt sie ihn eindringlich.
Martinez atmet tief ein und klettert dann auf den Rumpf. Lilly hält vor dem Hubschrauber an und zielt mit ihren Waffen auf das Cockpit. Martinez balanciert auf dem übel zugerichteten Helikopter, nimmt sein Kopftuch ab und wickelt es um den Griff, mit dem man das Cockpit im Falle eines Notfalls öffnen kann. Lilly hört einen schrillen Schrei: »… hier raus …!«
Martinez reißt an dem Griff.
Die Tür öffnet sich widerwillig, die Scharniere ächzen, und eine Rauchwolke steigt aus dem Cockpit. Langsam erscheint die ramponierte Gestalt einer verzweifelten Frau. Gekleidet in eine zerrissene Daunenjacke und einen blutbesudelten
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