The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)
wie sie aufwachte und bestimmt denken würde, dass wir beide sie im Stich gelassen hätten. Oder Mom, die jetzt sicher glaubte, dass sie uns auch noch verloren hatte.
Schuld stand auf Bobbys bleichem Gesicht geschrieben. »Ich … Karen wird bestimmt …« Er verstummte, da er an seinen eigenen Worten zweifelte.
Joshua starrte in den Kofferraum, bevor er den Deckel zuwarf. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, und ein Muskel in seinem Kiefer zitterte.
»Wo ist der Proviant?«, fragte er.
Bobby starrte auf den Boden und zuckte kaum merklich mit den Achseln.
»Da ist nichts drin«, zischte Joshua. »Nicht eine einzige Wasserflasche oder Konservendose.«
»Bobby?« Meine Stimme vibrierte wie eine Gitarrensaite.
»Ich hab alles ausgeladen, sonst hätte ich nicht reingepasst«, sagte er kleinlaut.
»Du hast unsere Vorräte weggeworfen?« Mir blieb die Spucke weg.
Vor 298 Minuten hatte ich zum letzten Mal etwas getrunken. 17 880 Sekunden – in dieser Hitze eine viel zu lange Zeit. Auch Bobby brauchte so schnell wie möglich Flüssigkeit.
»Toll. Ganz toll.« Joshua fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er drehte sich um und marschierte davon. Seine Turnschuhe wirbelten kleine Staubwolken auf. Seine Schultern waren angespannt. Ich wollte ihm schon nachlaufen, überlegte es mir jedoch anders. Er musste einen Augenblick allein sein, um sich wieder zu beruhigen.
»Wir sind ohne Essen und ohne Wasser hier draußen?«, fragte Tyler. Rachel lehnte sich gegen ihn. Sie war blass und atmete schwer – sie sah fürchterlich aus.
»Anscheinend«, murmelte ich. Unsere Reise schien unter keinem guten Stern zu stehen, und dabei hatten wir noch nicht mal den Zaun erreicht. Vielleicht war das ein Zeichen. Eine Warnung. Schnell scheuchte ich diesen Gedanken aus meinem Kopf. Joshua kam wieder zu uns zurück; ich war fest entschlossen, keine Schwäche zu zeigen.
»Sehen wir mal nach, ob wir im Supermarkt was finden. Außerdem sollten wir nach Kameras Ausschau halten. Eventuell können wir sogar Medikamente für Rachel auftreiben«, sagte ich und bemühte mich, zuversichtlicher zu klingen, als ich mich fühlte. Rachel lächelte mich dankbar an. Ich blickte zu Bobby hinüber, der es nicht wagte, mir in die Augen zu sehen.
»Wie weit ist es noch bis zum Zaun?«, fragte Joshua.
Tyler zog eine Landkarte aus der Hosentasche und fuhr mit dem Finger eine Straße nach, die nach Las Vegas führte. »Wir müssen auf der Interstate bleiben.« Er deutete auf eine Biegung in der Straße. »Dort fahren wir ab und dann immer geradeaus. Nach ein paar Meilen müssten wir den Zaun sehen. Von hier aus sind es noch etwa zwei Stunden Fahrt.«
Nur noch zwei Stunden. Wir hätten es vor Einbruch der Dunkelheit schaffen können, doch jetzt hatte uns mein Bruder einen Strich durch die Rechnung gemacht. »Wir müssen Bobby zurück nach Santa Barbara bringen. Er kann nicht mitkommen«, sagte ich.
»Hey, das ist unfair!«, sagte Bobby. »Ich will euch hel fen! Ihr fahrt ständig durch die Gegend, und ich sitze nur dumm rum. Ihr könnt mir nicht vorschreiben, was ich tun soll.«
»Das werden wir ja sehen!«, rief ich.
»Nur die Ruhe, Leute«, unterbrach Tyler. »Kann ich mal eine Sekunde mit euch reden?«
Ich funkelte Bobby wütend an, dann folgte ich Joshua und Tyler, die sich ein paar Schritte vom Wagen entfernt hatten.
»Ich glaube nicht, dass Rachel in dieser Verfassung wei terfahren kann«, flüsterte Tyler mit brüchiger Stimme. »Ich weiß nicht, was mit ihr los ist. Sie war schon während der Nachtwache ganz zittrig, aber ich dachte, das wäre nur die Aufregung. Tut mir leid. Ich sollte sie zurückbringen. Bobby könnte ich gleich mitnehmen.«
Ich sah zu Rachel hinüber, die mit geschlossenen Augen auf dem Rücksitz zusammengesunken war. Bobby stand mit verschränkten Armen vor dem Auto.
»Du hast recht«, sagte ich. »Aber wie sollen wir den Zaun ohne dich finden?«
»Hier, nehmt die Karte.« Tyler reichte sie Joshua. »Ihr wisst ja jetzt, wie ihr zum Zaun kommt.«
»Ja, so ungefähr«, sagte Joshua und warf Bobby einen finsteren Blick zu. »Aber erst mal brauchen wir ein Auto und Benzin. Irgendjemand war ja der Meinung, dass wir auf den Reservekanister verzichten können.«
Tyler beugte sich ins Auto, schaltete die Zündung ein und überprüfte die Tankanzeige. »Der Sprit reicht noch für ungefähr zwanzig Meilen.«
Bobby stand unbehaglich daneben und hörte uns zu. Wie er so nervös von einem Fuß auf den anderen trat und dabei
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