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Themba

Themba

Titel: Themba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz van Dijk
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»Der Mann sagte, dass er nicht glaube, dass Vuyo ein Verräter sei. Aber er sagte auch, dass es furchtbar schwer sei, stark zu bleiben, wenn man gefoltert wird. Was damals genau mit Vuyo geschehen ist, das konnte er auch nicht sagen.«
    Mutter scheint bereit, einen gewissen Frieden mit ihrem verschwundenen Mann zu machen. Er ist nicht wegen einer anderen Frau verschwunden oder weil er woanders Schulden gemacht hat. Seine Worte in seiner letzten Botschaft an Mutter über »die Vergangenheit«, die ihn »eingeholt« habe, ergeben vor diesem Hintergrund endlich einen gewissen Sinn.
    Zu Mutters Besserung trägt sicher auch bei, dass endlich der feuchtkalte Winter am Westkap zu Ende geht und die Tage wieder wärmer und freundlicher werden.
    An manchen Abenden sitzt sie jetzt vor unserer Hütte auf einem erhöhten Brett in der Abendsonne, wenn ich stolz und mit etwas Geld von einem Job oder auch niedergeschlagen nach einem langen Tag des vergeblichen Wartens nach Hause komme.
    Eine Woche nach meinem sechzehnten Geburtstag schreibe ich einen Brief an Sipho: »Wir haben Mutter tatsächlich gefunden. Aber das Leben ist nicht leicht hier. Warte lieber noch eine Weile, bevor du auch hierher kommst. Ich schreibe dir wieder.«
    Zu gern würde ich wissen, wie es ihm und seinen Geschwistern geht und natürlich unserer Fußballmannschaft. Aber in unserem Teil des Townships wird keine Post ausgeliefert.

    In einer warmen Spätsommernacht werden Nomtha und ich durch ein unterdrücktes Stöhnen von Mutter aus dem Schlaf gerissen. Beinah gleichzeitig fahren wir von unserem Lager auf. Nomtha ist als Erste neben Mutters Bett, während ich versuche, mit einem Streichholz unsere einzige Kerze zu entzünden. Mutter reagiert nicht auf unsere Frage, was los ist. Sie liegt in einer eigenartig verkrampften Haltung, beide Augen halb geschlossen.
    »Sie ist ganz heiß«, sagt Nomtha besorgt. Tatsächlich sind ihr Hemd und die dünne Decke nass geschwitzt. Ihr Atem geht unregelmäßig und zwischendurch scheint sie fast zu ersticken. Sie hatte schon öfter Fieber, und wir kennen ihre Hustenanfälle, aber heute Nacht glüht ihr ganzer Körper, und diese eigenartigen Krämpfe gab es vorher nie. Immer wieder stöhnt sie, als habe sie schreckliche Schmerzen, aber sie reagiert nicht, wenn Nomtha sie fragt, wo es wehtut.
    »Sie hört uns nicht«, sagt Nomtha, und langsam bekommen wir es mit der Angst zu tun. Sie braucht unbedingt einen Arzt.
    Mir fällt nur ein einziger Ausweg ein: »Du bleibst bei ihr, Nomtha. Ich laufe zum Kreiskrankenhaus nach Fish Hoek und versuche, einen Krankenwagen zu bekommen, der sie abholt.«
    Nomtha nickt stumm. Als ich unsere Tür aufstoße, hat sie sich bereits wieder Mutter zugewandt und ist dabei, ihr ein mit Wasser gekühltes Tuch auf die Stirn zu legen. Ich trage nur eine kurze Sporthose und ein Unterhemd, als ich mich auf den Lauf durch die Nacht mache …
    Es gelingt mir tatsächlich in weniger als einer Stunde, die Notaufnahme des Krankenhauses zu erreichen und sogar einen jungen Arzt aufzutreiben, der mir hilft, mitten in der Nacht einen Krankenwagen zu organisieren. Das Auto kann natürlich nur bis zum Ende der Asphaltstraße fahren. Dann begleiten mich die beiden Sanitäter mit einer Trage bis zu unserer Hütte, wo Nomtha uns angstvoll erwartet. Mutter scheint völlig leblos, aber einer der beiden Männer beruhigt uns: »Ihr Herzschlag ist sehr flach, aber noch deutlich spürbar...«
    Sie heben ihren leichten Körper vorsichtig auf die Trage und schließen die Gurte. Nomtha und ich nehmen unser Geld und Mutters Ausweis mit und dürfen im Wagen zum Krankenhaus mitfahren. Dort wird Mutter sofort in die Notaufnahme gebracht, während wir uns in einem Warteraum gedulden müssen.
    Einmal kommt der junge Arzt herein, um Mutters Personalien aufzunehmen. Er erklärt uns: »Ihr habt genau das Richtige gemacht. Eure Mutter hat Probleme mit der Lunge und einen schweren Kreislaufzusammenbruch, dessen Ursache noch nicht klar ist.«
    Dann kommt mehrere Stunden niemand mehr und irgendwann müssen wir auf den harten Holzbänken eingeschlafen sein.
    Es dringt bereits das erste Tageslicht durch die Fensterscheiben des Wartezimmers, als wir von einer Frauenstimme geweckt werden: »Themba? Nomtha? Erinnert ihr euch noch an mich?«
    Vor uns steht Sister Princess in ihrer blauen Schwesterntracht. Wir reiben uns noch die Augen, als sie schon fortfährt: »Als ich zum Frühdienst kam, fiel mir gleich der Name eurer Mutter auf. Und dann

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