Theodor: The Theodor Story (Die Wiedergeburt) (German Edition)
Abgesandte Gottes“, antwortet der Beklagte. „Seine Verbannung ist der Lästerung Gottes gleichzusetzen.“
Das Gesicht des Richters verfinstert sich, ein lautes Raunen geht durch den Gerichtssaal.
Für einen Augenblick verschwinden die Bilder, tauchen aber sofort wieder auf. Das Richterkollegium steht erhobenen Hauptes, der Beklagte hält seinen Blick auf den Boden gerichtet.
„Das Gericht verkündet nun das Urteil. Im Namen des obersten Gerichtshofes wird Jean Cloud de Gébelin zum Tode durch das Schafott verurteilt. Das Urteil wird heute noch vollstreckt. Die Sitzung ist hiermit geschlossen.“
Ein lautes Flüstern erfüllt den Saal, eine Frau in der ersten Reihe beginnt laut zu weinen. Henriece sieht sich selbst in der hinteren Reihe sitzen. Sein Gesichtsausdruck wirkt entsetzt.
Plötzlich verblasste die Szene des Gerichtssaals und er stand wieder diesen seltsamen Kreaturen gegenüber.
Nun?, fragte der Sprecher von ihnen. Was fühlst du?
Sein Atem ging schwer, zusammenhängende Gedanken zu fassen gelang ihm nicht. Momentan fühlte sich Henriece beschissen. Er ahnte, was nun folgen wird.
„Ich spüre Mitleid und Entsetzen“, antwortete er nach einiger Zeit gedemütigt.
Ich war dein Freund, sprach das Wesen langsam. Wir beide haben gepredigt. Wir beide waren überzeugt von unserem Glauben und schworen, uns einander zu helfen. Du aber, du hast mich verraten, so wie Judas seinen Meister verraten hatte. Das Wesen wandte sich zu seinen Artgenossen. Wir alle sind Opfer des Glaubens, rief er und zeigte im Kreis herum auf jeden einzelnen. Häftlinge auf Galeeren für den Glauben. Dem Leben beraubt, dem Tod nicht entronnen irren wir in einer Welt, die schmerzhaft und grausam ist und du – du hast verraten und dafür wirst du nun büßen. Aus dem Nichts hatte das Wesen auf einmal ein Schwert in der Hand, das er mit beiden Händen empor hielt.
DEIN GLAUBE, schrie das Wesen mit donnernder Stimme, IST DEIN SCHICKSAL! Wir waren vereint. Wir waren wie Brüder – nicht einmal mein Grab hast du besucht. Drohend kam ihm das Wesen näher, auf einmal sprach eine junge weibliche Stimme hinter ihm:
Mich hast du vergewaltigt. Ein Kind hast du mir gemacht und mich im Elend sitzen lassen.
Henriece wandte sich um. Die Konturen einer Frau, zerschunden ihr Körper, vernarbt ihr Gesicht, kam auf ihn zu. Verehrt haben sie dich. Geliebt haben sie dich und du hast nur leere Worte gesprochen. Du hast dich für erhaben gehalten und bist über mich hergefallen. Bedrohlich streckte dieses Wesen seine Arme nach ihm aus.
Erschrocken wich er zurück, da vernahm er eine Stimme, die ihn von der Seite aus ansprach.
Ich glaubte deinen Worten, ich glaubte das, was du gesagt, was du gepredigt hast. Diese Stimme klang, als würde sie aus einer tiefen Gruft hervorgerufen werden. Für Geld hast du meinen Sünden verziehen. Für Geld hast du mein Haus gesegnet. Für Geld hast du mir Schutz gegeben.
Von allen Seiten kamen anklagende Stimmen bedrohlicher Wesen. Der Kreis wurde enger und enger.
Macht, sprach die Grabesstimme weiter, Macht war dein Streben. Macht über Leben und Tod. Dein Weg des Priesters war ein Weg der Macht – und was bist du jetzt? Was ist aus dir geworden? Siehe dich an, junger alter Mann. Siehe dir ins Gesicht. Deine Falten, deine Haut, deine Augen – Zeugnisse, die du leugnest und nicht erkennen willst.
Dreh dich um!, befahl sein ehemaliger Freund. Unweigerlich kam Henriece der Aufforderung nach. Im selben Moment, in dem er ihm ins Gesicht blickte, raste das Schwert auf ihn nieder.
Entsetzt wich er zurück; die Klinge ging mitten durch ihn hindurch. Sein Körper fühlte sich glühend heiß an, er schmerzte fürchterlich, aber kein Blut, keine Verletzung.
Und hier, kreischte die weibliche Stimme. Dieses Wesen stürzte sich auf ihn, er wollte zurückweichen, stolperte und fiel zu Boden.
„Nein!“, entfuhr es ihm. Schlagartig sprang er wieder auf. „Geht weg!“, schrie er aus vollem Hals. „Verschwindet, geht zurück!“ Er verschränkte seine Arme zu einem Kreuz, die Antwort war ein höhnisches Gelächter von allen Seiten.
Dein Glaube veranlasst dich, das zu tun, sprach sein ehemaliger Freund. Dein Glaube macht dich blind und taub. Weder siehst du, noch hörst du. Dein Glaube hat uns das Leben genommen – ein Leben von vielen. Dein Glaube wird dich dahin bringen, wovor du Angst hast. Angst – du weißt gar nicht, wie viel du davon hast.
„Nein“, flüsterte Henriece. „Ich habe keine Angst! Ich habe
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