Thursday Next 04 - Es ist was Faul
Todesfall eines Mr Shaxzpar und den eines Mr Shogtspore im Jahre 1969, aber es gab noch weitere Fälle –«
»Und was gab es für Theorien?«
»Ich glaube«, sagte Bowden, »dass jemand das Genie nachbauen wollte. Die Täter hofften wohl, dass er noch ein paar tolle Stücke schreiben würde, die sie dann vermarkten könnten. Das ist natürlich moralisch verwerflich und obendrein illegal, aber für Shakespeareforscher höchst reizvoll. Dass keine
jungen
Shakespeares aufgetaucht sind, lässt mich vermuten, dass die Experimente schon vor langer Zeit eingestellt worden sind.«
Es entstand eine Pause, während ich die Informationen verarbeitete. Das Retro-Klonen von Menschen war streng verboten. Kommerzielle Gentechniker würden so etwas auf keinen Fall tun. Andererseits hatten nur die wirklich großen Firmen die technischen Möglichkeiten, um so etwas zu versuchen. Und wenn drei von den Klonen so lange gelebt hatten, dann war es ziemlich wahrscheinlich, dass es noch andere gab. Und da der echte Shakespeare schon so lange tot war, blieb uns gar nichts anderes übrig, als einen geklonten zu suchen, wenn wir die
Lustigen Weiber von Helsingör
wieder auflösen wollten.
»Gehört das nicht eigentlich zum Bereich von SO-13?«, fragte ich schließlich.
»Offiziell, ja«, sagte Bowden, »aber SO-13 leidet genauso unter den Mittelkürzungen wie wir, und Agent Stiggins ist viel zu sehr mit Chimären und Mammutwanderungen beschäftigt, als dass er sich um geklonte elisabethanische Dramatiker kümmern könnte.«
Stiggins, ein vor drei Jahrzehnten von Goliath rekonstruierter Neandertaler, war der äußerst fähige Chef der Klon-Polizei.
»Haben Sie mal mit ihm geredet?«, fragte ich.
»Er ist ein Neandertaler«, erwiderte Bowden. »Die reden nicht, wenn es nicht absolut notwendig ist. Ich hab's ein paar Mal versucht, aber er schaut mich immer bloß merkwürdig an und isst dabei lebende Käfer aus einer Papiertüte – brr.«
»Mit mir würde er schon reden«, sagte ich. Und das stimmte. Ich schuldete ihm noch einen Gefallen, weil er mir sehr geholfen hatte, als Flanker wieder mal hinter mir her war. »Schauen wir doch mal, ob er da ist.«
Ich griff nach dem Telefon und sah zu, wie Bowden weitere verbotene Bücher einpackte. Wenn er erwischt werden sollte, war er erledigt. Das wäre schon sehr bitter: ein LitAg, der wegen Farquitts
Quartett der Liebe
ins Gefängnis geschickt wurde. Ich schätzte ihn nur umso mehr. Kein echter LitAg würde bewusst einem Buch schaden. Und ehe wir ein Buch verbrennen würden, würden wir alle den Dienst quittieren.
»O je«, sagte ich und legte den Hörer zurück. »Sein Büro sagt, im Brunel Centre hätte es einen Schimären-Alarm gegeben. Vielleicht finden wir Stiggins da.«
»Wo genau im Brunel Centre?«
»Wenn es ein Schimären-Alarm ist, brauchen wir bloß den Schreien zu folgen.«
20. Schimären und Neandertaler
Das Neandertal-Experiment war ursprünglich dazu gedacht, »medizinische Test-Einheiten« zu schaffen, wie der euphemistische Fachausdruck hieß: Lebewesen, die dem Menschen so nahe wie möglich standen, ohne tatsächlich Menschen im Sinne des Gesetzes zu sein. Sie wurden aus Zellen eines Unterarms des so genannten
Homo Llysternef neanderthalis
gezüchtet, der in einem Torfsumpf in Wales entdeckt worden war. Das Experiment war ein bemerkenswerter wissenschaftlicher Erfolg. Die Goliath-Corporation musste allerdings zu ihrem Leidwesen feststellen, dass auch die abgebrühtesten Medizintechniker nicht bereit waren, an den offensichtlich intelligenten, sprachbegabten Lebewesen Experimente durchzuführen. Deshalb wurden die ersten Neandertaler als »halbautomatische Kampfmaschinen« geschult. Aber auch dieses Projekt musste aufgegeben werden, als sich herausstellte, dass den Neandertalern jeder aggressive Instinkt fehlte. Daraufhin wurden sie der Öffentlichkeit als billige Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt und entwickelten sich bald zu einem beliebten Steuerabschreibungs-Objekt. Der
Homo sapiens
hatte sich mal wieder als nicht sehr
sapiens
erwiesen.
Gerhard von Squid Neandertaler. Rückkehr nach kurzer Abwesenheit
Das Brunel Centre war voller Menschen. Wie immer rannten die Leute von einem Kaufhaus zum anderen und suchten nach Schnäppchen. Die Preise waren schon seit Monaten von der Zentrale festgesetzt worden, aber die Endverbraucher glaubten fest daran, sie würden irgendwas billiger kriegen, wenn sie nur fleißig herumrannten.
»Warum interessieren Sie sich plötzlich
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