Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
klammerte sich an diesen Anker, und schon spürte sie, wie das schwere Gewicht des Vertrauten das Toben ihrer Furcht besänftigte. Sie richtete ihre ganze Konzentration auf den disziplinierten Rhythmus von Geist und Körper, der das schmale Band ihres Bewußtseins mit der Realität verband ... und langsam ließ ihre Furcht nach.
Sie öffnete die Augen wieder, aber die Sterne waren immer noch draußen. Dann drehte sie den Kopf und betrachtete die Wand blinkender Lichter und beleuchteter Skalen neben sich. Sie versuchte nicht, sie zu berühren. Erst jetzt wurde sie der Stimmen von Elsevier und dem Außerirdischen gewahr, die sich angestrengt, aber leise unterhielten. Eine Stimme war für sie so unverständlich wie die andere.
»... Überprüfung. Bisher noch kein Alarm. Hoffe, sie hatten kein Funkgerät bei sich ... sind vielleicht schon ab durch die Mitte, wenn sie merken ... Grün für die Schirme?«
Silky antwortete in einer ihr unverständlichen außerirdischen Sprache.
»Das hoffe ich auch ... aber halt dich für einen Energietransfer bereit. «
(Antwort.)
»Klar sind wir gedämpft. Sie halten nach Einreisenden Ausschau ... sie kümmern sich weniger um Ausreisende ... hoffe ich jedenfalls.«
(Antwort.)
Ein müdes Kichern. »Natürlich ... Zeit verstrichen?«
Mond schloß wieder die Augen, denn das war weniger beunruhigend, und lauschte für sie sinnlosen Worten. Irgendwie flogen sie in dieser Metallhülse, aber das war schwerlich mit ihrem Flug mit Ngenet vergleichbar. Sie fragte sich warum und wie, vor allem aber, ob man das hier mit einer Reise in einem der Sternenschiffe der Außenweltler vergleichen konnte ... Plötzlich riß sie die Augen auf. »Elsevier!«
»Ja ... alles in Ordnung, Mond?«
»Was geht hier vor? Wohin gehen wir?« Sie rang nach Atem. »Wir verschwinden ... Zeit verstrichen?«
(Antwort.)
»Außerhalb der Reichweite!« Ein kurzes, triumphierendes Lachen. »Energiezufuhr unterbrechen ... wir sparen den Rest besser für das letzte Rendezvousmanöver.«
Der schwere Druck fiel so unvermittelt von ihr ab, wie er gekommen war. Mond streckte erleichtert die Arme von sich. Nun, da das zermalmende Gewicht von ihr abgefallen war, fühlte sie sich mit einemmal vollkommen gewichtlos, wie eine Luftblase, die aus den Meerestiefen emporsteigt – sie schwebte weg von ihrem Sitz und wurde von den Sicherheitsgurten zurückgehalten. Sie sah mit entsetztem Blick hinab und klammerte sich an den Gurten fest.
»Ohh, Silky. Ich bin zu alt für so etwas. Eine zivilisierte Person kann so nicht leben.«
(Antwort.)
»Natürlich ist das das Prinzip des Dinges! Du glaubst doch nicht etwa, ich hätte TJs Arbeit nur des Geldes wegen weitergeführt? Und ganz bestimmt auch nicht nur wegen des Nervenkitzels.« Sie schnaubte mehrere Male. »Aber trotzdem, keine weiteren Reisen mehr. Diesmal werden wir keinen roten Heller verdienen, wir haben immer noch alle Waren an Bord ... Ah, armer Miroe! Die Götter wissen, was aus ihm geworden ist.« Sie hörte ein schnappendes Geräusch, dann sah Mond, wie Elseviers silberner Kopf über der Rückenlehne des Sitzes auftauchte. »Wir werden es jedenfalls nicht mehr erfahren.« Elsevier wandte sich zu ihr um. »Mond, bist du ...«
»Keine Sorge!« Mond blickte verwundert um sich. »Das ist die Gegenwart der Herrin. Der Raum ist ganz voller Meer, daher schweben wir ... Ein Wunder!«
Elsevier lächelte ein wenig traurig. »Nein, mein Liebes, nur das Fehlen eines solchen. Wir sind außerhalb der Reichweite deiner Göttin und weit von deiner Welt entfernt. Hier gibt es einfach keine Schwerkraft, die uns niederhalten kann. Komm her und schau, was ich damit meine!«
Mond löste unsicher die Gurte und stieß sich ab. Elsevier fuhr herum und hielt sie fest, ehe sie mit dem Kegel zusammenprallen konnte, der über ihrem Kopf hing wie der, unter dem Cress nun ruhte. »Sachte!« Elsevier zog sie zu sich und deutete nach unten. Unter ihnen befand sich die Krümmung der Kugel Tiamats, eine fleckige, blaue Masse vor dem sterngesprenkelten Hintergrund.
Tief in ihrem Herzen hatte sie erwartet, was kommen würde, doch als sie dann zum Fenster hinübergeschwebt war, da übertraf der Anblick ihre kühnste Phantasie sogar noch bei weitem, und sie konnte nur noch »Wunderbar ... wunderbar ...« hervorstoßen. Sie preßte ihre Hände gegen die kalte Scheibe.
»Warte nur, bis wir die Schwarze Pforte passiert haben. Wenn du siehst, was dahinter liegt ...«
»Oh, ja ...« Doch dann ging die
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