Tiefe
gewähren.«
»Ich hätte niemals überlebt, wenn Sara Fredrika sich meiner nicht angenommen hätte.«
Der Deserteur hatte sich in die Kluft gelegt, einen Schal um den Kopf gewickelt, das Fell des verrückten Fuchses um den Hals gelegt. »Ich liebe sie«, sagte er. »Ich werde sie niemals vergessen. Eines Tages, wenn der Krieg vorüber ist, werde ich hierher zurückkehren.«
»Weiß sie davon?«
»Wir können nicht miteinander reden. Aber ich
Er kehrte zum Haus zurück und erklärte, wo der Deserteur sich versteckt hatte. Sie hatte die Haare hochgesteckt und einen Schal umgelegt.
Sie schrak zurück, als er sie berührte.
»Ich verspreche, daß ich ihm helfen werde«, sagte er. »Aber will er Hilfe bekommen? Ich fürchte, er wird eines Tages einfach übers Eis fortwandern.«
»Warum sollte er das tun?«
»Er hat Dinge erlebt, die eigentlich niemand aushalten kann. Ich werde ihn mit aufs Eis nehmen. Er kann mir behilflich sein.«
Sie stellte sich ans Fenster. »Ich erinnere mich, wie du das erste Mal hier warst«, sagte sie. »Ich dachte, auf diesen Mann kann ich mich nicht verlassen. Jetzt schäme ich mich, wenn ich daran denke.«
»Warum solltest du dich nicht auf mich verlassen können?«
»Ich hatte das Gefühl, du wärst lüstern und hättest Schlimmes im Sinn. Jetzt weiß ich, daß ich unrecht hatte.«
»Ja«, erwiderte er. »Du hattest unrecht.«
»Ich denke an deine tote Frau und deine tote Tochter.«
»Das haben wir gemeinsam«, sagte er sanft. »Die Toten.«
Die Männer kamen von den inneren Schären, sie hatten Flinten und wollten Seevögel jagen, die über den Winter dageblieben waren. Es waren Vater und Sohn, der Vater mager, mit eingesunkenen Augen, der Sohn groß. Der Vater hatte einen Goldring im Ohr, vielleicht war er ein alter Seemann, der glaubte, der Ring würde ihn vor dem Ertrinken beschützen oder wenigstens dafür reichen, die Beerdigung zu bezahlen. Sara Fredrika kannte sie von früher. Sie kamen in jedem Winter einmal vorbei, verlangten nichts anderes, als zu erfahren, ob sie Seevögel gesehen hätte. Sie trugen Lockenten in Körben auf dem Rücken, und Lars Tobiasson-Svartman bemerkte, daß der Vater nach Schnaps roch.
Sie betrachteten ihn neugierig und verhehlten nicht, daß sie sich wunderten, was ein Offizier der Flotte hier draußen auf der Schäre zu tun hatte. Er erzählte ihnen von seinem Vermessungsauftrag im Spätherbst und von der Kontrolle, für die er die Verantwortung trug.
»Ich erinnere mich an Seevermesser hier, als ich jung war«, sagte der Vater, Helge Wallen. »Es muß in den Jahren 1869 oder 1870 gewesen sein. Es lagen Boote drinnen bei Barö-sund und vermaßen. Mein Vater verkaufte den Leuten Lebensmittel, Eier, Milch, er schlachtete sogar ein Schwein, da er gut bezahlt wurde. Wir Kinder nagten am Hungertuch, aber mein Vater wußte, was er tat. Mit dem Geld, das er zusammenkratzte, hat er im Jahr danach den Hof freigekauft. Sie waren lange da beim Ausloten. Kann sich wirklich am Boden so viel verändern, daß es noch mal vermessen werden muß?«
»Es geht um die Schiffe«, erwiderte Lars Tobiasson-Svartman. »Die Schiffe, ihren zunehmenden Tiefgang, die Forderung nach breiteren Fahrrinnen.«
Sie standen außerhalb des Hauses. Der Sohn hatte gestottert, als er gegrüßt und seinen Namen gesagt hatte, Olle.
»Und du bist noch da«, sagte Helge Wallen zu Sara Fredrika.
»Ich bin noch da.«
»Wir haben gesehen, daß du nicht allein warst, als wir da von den Händelsöarna kamen. Ich sagte zu Olle, jetzt hat Sara Fredrika einen Mann gefunden.«
»Ich bin noch da, aber mein Mann ist immer noch mein Mann, auch wenn er da draußen auf dem
Dann spuckte er aus und hob das Gepäck an. »Dann gehen wir«, sagte er. »Hast du Vögel gesehen?«
»Nahe an der Eiskante. Aber weiter nach Süden, Richtung Häradsskär. Da kannst du deine Lockvögel auslegen.«
Die Männer verschwanden zur Bucht hinunter. Lars To-biasson-Svartman und Sara Fredrika gingen hinaus auf eine der Klippen und folgten ihnen mit dem Blick, sahen, wie sie nach Süden abbogen, als sie die Eiskante erreicht hatten.
»Auf irgendeine Weise sind wir verwandt«, sagte sie. »Ich kann nicht erklären, wie. Aber irgendwo in der Vergangenheit hängen wir zusammen.«
»Ich dachte, das wäre bei allen in den Schären so?«
»Viele kommen von auswärts«, antwortete sie. »Solche, die sich verstecken, und solche, die sich von den Städten nicht einfangen lassen. Einmal war ich in Norrköping. Ich
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