Tiffamy Duo Band 29
unvermittelt, dass sie sekundenlang wie gelähmt dasaß. Sie versuchte, sich Daniels Bild vor Augen zu halten. Tatsächlich gelang es ihr allmählich, ihre Panik zu verdrängen. Wenige Minuten später fühlte sie sich in der Lage, die Cafeteria zu verlassen und zu der Rollbahn hinüberzugehen, die sie seit ihrer Ankunft auf Lady Elliot gemieden hatte. Als sie an dem Taucherschuppen vorbeiging, hatte das Flugzeug die Rollbahn bereits verlassen und holperte auf den Schuppen zu.
Wieder kamen die Erinnerungen. Wie eine kalte Welle drohten sie über ihr zusammenzuschlagen. Mandy blieb stehen. Im nächsten Augenblick spürte sie, wie jemand ihre Hand nahm und sie mit kräftigen Fingern umschloss.
„Alles in Ordnung?" fragte Daniel.
Mandy umklammerte seine Hand. Sie atmete tief durch. Dann nickte sie. Unbewusst wartete sie darauf, dass er sie dazu veranlassen würde, sich der Quelle der Angst zu nähern. Aber nichts geschah. Daniel hielt lediglich ihre Hand. Überrascht blickte sie zu ihm auf. Er lächelte sie aufmunternd an, ging jedoch nicht weiter. Ihr wurde klar, dass sie die Initiative ergreifen und aus eigenem Antrieb auf das Flugzeug zugehen musste. Daniel würde sie weder zwingen noch überreden. Er war einfach nur da, um ihr Rückhalt zu geben. Das Gefühl der Dankbarkeit, das sie in diesem Moment für ihn empfand, war so groß, dass es ihr die Kehle zuschnürte.
„Sie verstehen?" flüsterte sie ungläubig.
„Wie schwer es ist, seine Angst zu bekämpfen?" Mandy nickte.
Daniel verzog die Mundwinkel zu einem traurigen Lächeln. „Überrascht Sie das?"
„Ja."
„Jeder hat vor irgend etwas Angst. Nur versuchen manche Menschen, ihre Angst zu überwinden, während andere kampflos untergehen."
„Gegen welche Angst kämpfen Sie?"
„Ich habe Angst davor, noch einmal angekettet und geschlagen zu werden, hilflos zu sein", sagte er in nüchternem Ton.
Mandy atmete tief aus. Spontan nahm sie Daniels Hand und legte sie an ihre Wange. Dann zog sie sie an ihre Lippen.
„He", sagte er, legte eine Hand unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht ein wenig hoch, damit sie ihm in die Augen sehen musste. „Sie brauchen kein Mitleid mit mir zu haben. Als ich diese Schläge einstecken musste, lernte ich zum ersten mal Angst kennen. Und darüber bin ich froh. Angst ist eine sehr gesunde Reaktion. Sie hat mir schon mehr als einmal das Leben gerettet. Man darf sich nur nicht von ihr unterkriegen lassen."
Stumm betrachtete Mandy sein Gesicht. In diesem Moment fühlte sie sämtliche Leiden, die er auf sich genommen hatte. Sie durchlitt in einer Minute alle Qualen seines Lebens. Dabei fragte sie sich, wieso seine Vergangenheit überhaupt eine Rolle für sie spielte.
Fröhliches Kinderlachen unterbrach den intimen Augenblick.
Mandy ließ Daniels Hand los. Sie drehte sich um und breitete die Arme aus, um die beiden Kinder aufzufangen, die um die Wette über die Rollbahn rannten. Sekunden später wurde sie stürmisch umarmt. Danach verabschiedeten sich Ted und Linda bei ihr, dankten ihr noch einmal fürs Kinderhüten und verfrachteten Clint und Di in das kleine Flugzeug.
Als das Motorengeräusch immer lauter wurde, griff Mandy instinktiv nach Daniels Hand. Er sagte nichts. Statt dessen umschloss er mit festem Druck ihre Finger. Das Flugzeug rollte bis zum Ende der Startbahn, ging in Startposition und beschleunigte Kurz vor den nistenden Seeschwalben hob es vom Boden ab. Es flog eine weite
Kurve, gewann an Höhe und verschwand schließlich in Richtung Festland. Mandy atmete erleichtert auf.
„Haben Sie schon immer Angst vorm Fliegen gehabt?" fragte Daniel beiläufig, während sie das Flugfeld verließen.
„Kleine Flugzeuge mochte ich noch nie", erwiderte Mandy in ausdruckslosem Ton. Daniel spürte, dass sich hinter der Antwort mehr verbarg. Aber er tat nichts, um sie zu einer weiteren Äußerung zu drangen. Er konnte verstehen, dass sie über ihre Angst nicht sprechen wollte. Auch ihm widerstrebte es, über seine brutalen Erfahrungen in jenem südamerikanischen Gefängnis zu reden. Er hatte nach seiner Freilassung der amerikanischen Botschaft einen knappen Bericht gegeben und danach nicht mehr davon gesprochen.
„Es tut mir leid, dass ich Sie an diesen verdammten Flugzeugsitz gekettet habe, Mandy", sagte er und zog sie spontan an sich, um mit den Lippen ihre Stirn zu berühren. „So schnell werde ich mir das nicht verzeihen."
Mandy sah zu ihm auf. Der Blick seiner grünen Augen weckte Gefühle in ihr, die sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher