Tiffamy Duo Band 29
abschätzend an — so, als ob er darüber nachdachte, ob eine Unterhaltung mit ihr überhaupt einen Sinn hätte. Seine Augen wirkten in diesem Moment hart und kalt. Hätte sie seine Gedanken lesen können, sie wäre endgültig aus dem Gleichgewicht geworfen worden. Denn trotz seiner abweisenden Worte war er zu der Ansicht gekommen, dass die kleine Kendra Waite sich zu einer der attraktivsten, faszinierendsten Frauen entwickelt hatte, der er je in seinem Leben begegnet war.
Der Ehrlichkeit halber musste er aber zugeben, dass er sie nicht wiedererkannt hätte. Er konnte sich kaum noch an sie erinnern. Zu viele Jahre waren vergangen, seit sie von Scottsdale weggegangen war, und außerdem war sie damals nichts weiter als ein kleiner Sommerflirt für ihn gewesen. Er war damals gerade aus Colorado zurückgekehrt, um seinem herzkranken Vater auf der Ranch zu helfen. Und dann hatte er Marcia getroffen und beschlossen, in Arizona zu bleiben. Zurückblickend konnte er sich kaum an die jüngste Tochter seines Nachbarn in Scottsdale erinnern, nur dass sie Justine Waites kleine Schwester war, viel jünger als er . . . ein Teenager. Mehr ein Wildfang als eine junge Dame. Sie hatte ihre Nägel kurz und ihren Pferdeschwanz lang getragen. Sie war fröhlich und scheu zugleich, und ihre Augen hatten für ihre Jahre viel zu ernst in die Welt geblickt. Er konnte sich nur an sehr wenig erinnern, was Kendra betraf — bis auf ein einziges Mal. Plötzlich erinnerte er sich klar und deutlich an etwas, das er vergessen zu haben glaubte, und doch kam es ihm vor, als wäre es erst gestern geschehen.
★
Es war an einem schönen Julitag — am Vorabend seiner Verlobung mit Marcia. Die Waites gaben eine Grillparty, und plötzlich erschien auch Kendra, aber ohne Pferdeschwanz. Statt dessen trug sie ihr Haar offen, und auf einmal wirkte sie auf Raymond gar nicht mehr so unglaublich jung. Vielleicht war es das Bier, das er getrunken hatte, oder auch der Gedanke an seine Freiheit, die morgen für immer zu Ende sein würde, genau konnte er sich jetzt nicht mehr erinnern — jedenfalls hatte er sich nicht so sehr viel älter als sie gefühlt. Und so hatte er sie geküsst. Sie hatte in seinen Armen gelegen, und ihn mit ihren dunklen Augen groß und ernsthaft angeblickt. Und sie hatte wie eine wirkliche Frau reagiert. Klar und deutlich erinnerte er sich jetzt wieder an jenen Abend.
Er wollte es verleugnen, konnte es aber nicht. Es kam ihm vor, als ob es erst gestern gewesen sei und nicht vor zehn Jahren. Aber diese zehn Jahre waren unwiderruflich vergangen. Sie musste jetzt Ende Zwanzig sein. Ihre Augen blickten immer noch wach und intelligent in die Welt. Und sie trug noch immer Jeans. Aber sie wirkte jetzt nicht mehr hoch aufgeschossen, sondern war schlank und weiblich ... ja weiblich, trotz ihrer Impulsivität, die er gerade zu spüren bekommen hatte.
Sie hat einen vollen Busen, bemerkte er insgeheim. Und ihre Fingernägel waren gepflegt und lackiert. Statt eines Pferdeschwanzes trug sie jetzt einen Zopf, der ihr über den Rücken fast bis zur Taille reichte. Ein paar vom Fahrtwind zerzauste Locken umrahmten das Gesicht und ließen sie um Jahre jünger aussehen. Ihr Haar konnte man nicht als dunkel bezeichnen. Es hatte auf der Fahrt im offenen Wagen durch die starke Sonne einen kupferfarbenen Ton bekommen, der reizvoll zu ihrer sanft gebräunten Haut kontrastierte. Kendra war erwachsen geworden . . . auf bezaubernde und anmutige Weise!
Raymond wandte sich abrupt ab. Um die Gedanken an früher zu verscheuchen, nahm er das Gespräch wieder auf: „Wie ich schon sagte, ihr Waites verursacht mehr Ärger, als ihr es wert seid. Und sich mit dir einzulassen, würde noch mehr Schwierigkeiten bedeuten. Entschuldige mich bitte, ich muss gehen."
„Das klingt alles sehr verworren, findest du nicht auch?" Als Raymond die Tür seines Wagens öffnen wollte, hielt Kendra ihn am Ärmel fest. „Ich habe diesen Zusammenstoß nicht mit Absicht verursacht, um dich zu ärgern, und ich wollte den Schaden in beiderseitigem Interesse regeln, damit später keiner von uns beiden eine zu hohe Rechnung bezahlen muss. Mit anderen Worten: Ich versuche die ganze Zeit, die Angelegenheit großzügig und freundlich aus der Welt zu schaffen. Du könntest einer alten Bekannten gegenüber auch ruhig etwas netter sein."
Raymond warf ihr einen derart durchdringenden Blick zu, dass sie fast wieder rot wurde. „Eine alte Bekannte", wiederholte er bitter. „Nein, Kendra, das bist
Weitere Kostenlose Bücher