Tiffamy Duo Band 29
auseinandersetzte.
„Er würde dir doch nie die Wahrheit sagen", verwarf Colin ihren Gedanken. Kendra ballte heimlich die Faust unter dem Tisch. Colin hatte sich in den letzten zehn Jahren nicht verändert. Er schlug ihr gegenüber immer noch diesen spöttischen Ton an, aus dem man deutlich die Missbilligung heraushörte.
„Was glaubst du, was er tun wird?" fuhr Colin fort. „Denkst du, er fällt auf die Knie, nur weil du kommst und ihn fragst?"
Kendra schob ihren Teller zur Seite und lehnte sich zurück. Irritiert sah sie ihren Schwager an.
„Hör auf", wandte Justine sich an ihren Mann. Kendra war sich nicht ganz sicher, ob sie damit den Frieden zwischen ihnen wahren wollte oder Partei für sie ergriff.
„Warum soll Kendra nicht mit ihm sprechen. Vielleicht verrät er ihr, was es kostet, wenn er uns in Ruhe lässt."
Kendra konnte die ganze Geschichte immer noch nicht glauben. Und doch blieb der Stachel der Ungewissheit.
„Hast du einmal darüber nachgedacht, ihm das Land zu verkaufen?" fragte sie Justine.
„Natürlich. Ich bin an einem Punkt angelangt, wo ich alles tun würde, um die Ranch zu halten. Aber er hat mir gesagt, dass er das Land nicht mehr will."
Kendra setzte sich kerzengerade auf. „Und du bist immer noch davon überzeugt, dass er hinter der ganzen Sache steckt? Die Situation ist in diesem Fall dann doch eine ganz andere."
„Natürlich sagt er, dass er kein Interesse mehr hat", rief Colin mit vollem Mund und machte eine Handbewegung, dass Justine schweigen sollte. „Warum soll er sein Geld zum Fenster hinauswerfen, wenn er noch ein paar Monate warten kann, bis wir ruiniert sind. Dann bekommt er das Land doch ganz billig. Ich glaube, er möchte uns am Boden zerstört sehen. Es gibt nicht viele Leute, die es gewagt haben, nein zu ihm zu sagen."
Kendra fühlte einen stechenden Schmerz in der Magengrube. Gab es denn in Arizona wirklich niemanden, der ein gutes Haar an Raymond ließ? Sie stieß ihren Stuhl zurück und stand auf. „Ich bin entschlossen, ihn anzurufen. Es kann nicht schaden." Es sei denn, er ist es tatsächlich, dachte sie unglücklich. Und es ist wahr, was die Leute über ihn sagen.
Kendra verließ die Küche und griff nach dem Telefon in der Halle. Raymonds Nummer wusste sie noch auswendig.
Ihre Handflächen wurden feucht. Doch sie musste es tun. Sie musste die Wahrheit herausfinden. Nicht nur für sich selbst, auch für „Westwind". Sie verdrängte den Gedanken, dass ihr jeder Grund recht gewesen wäre, nur um ihn wiederzusehen. Nachdem sie dreimal hatte läuten lassen, wurde abgenommen. Für einen Augenblick war ihr die Kehle wie zugeschnürt, und sie hatte Angst, dass ihre Stimme versagen würde. Aber es war nicht Raymond, der abgenommen hatte. Die Stimme klang alt, brüchig und scharf.
Stony. Es konnte nur Stony sein. Kendra räusperte sich und sagte dann: „Hallo, hier ist Kendra Waite. Kann ich Raymond sprechen?"
Es dauerte eine Ewigkeit, bis die zögernde Antwort kam: „Was wollen Sie von ihm?" Kendra holte tief Luft: „Stony? Bist du es?"
Die abgehackte Antwort konnte alles bedeuten. Trotzdem erkannte sie die Stimme. Stony hatte schon für Raymonds Vater gearbeitet, als sie noch ein Kind war. Er arbeitete offensichtlich auch für Raymond. „Wie geht es Dir?" fragte sie.
„Wie immer."
Er würde nicht auftauen, das fühlte Kendra, aber sie versuchte es noch einmal. „Hältst du immer noch auf der Ranch die Zügel in der Hand?" Wieder eine kurze Antwort, wieder eine Ewigkeit, bis er endlich fragte: „Was machen Sie denn in Scottsdale? Hatte gehört, dass Sie vor längerer Zeit in den Osten gegangen sind."
„Ich bin wieder zurück. Jedenfalls für einige Monate, ich mache Urlaub hier. Ich würde gern einmal hinüberkommen und euch guten Tag sagen."
„Früher haben Sie sich doch einfach auf ,Windy Dawn' gesetzt und sind hergeritten", sagte Stony trocken. „Wie kommt es, dass Sie jetzt vorher anrufen?"
Weil nichts mehr so wie früher ist, dachte Kendra. Und weil ich weiß, dass ich nicht gern gesehen werde. Und nach allem, was ich inzwischen gehört habe, ist es nicht sehr klug, Raymond zu verärgern. Laut aber sagte sie: „In New York hat man mir Manieren beigebracht."
Endlich schien das Eis gebrochen zu sein, denn Stony brummte: „Hoffentlich hat man Sie nicht zu sehr gedrillt."
„Wie? Gedrillt?" Dann fuhr sie mit einschmeichelnder Stimme fort: „Stony? Wie ist es, soll ich mich aufs Pferd schwingen und hinüberkommen? Ist Raymond zu
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