Tiffany Duo Band 77
daß die Situation gefährlich war. Doch niemals war es ihr in den Sinn gekommen, daß sie selbst in Gefahr schweben könnte. Die Sache mit dem Flugzeug hatte nicht Brian und ihr gegolten, sondern Charlie. Brian und sie waren nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.
Aber dies hier? Dies galt ihr, das war ganz offensichtlich.
„Das gibt's doch nicht", flüsterte sie.
„Nichts anfassen", warnte Brian, „vielleicht findet die Polizei ja Fingerabdrücke."
„Das ist verrückt. Total verrückt. Wer, um Himmels willen, tut so etwas? Was haben sie hier gesucht?"
„Keine Ahnung. Ich weiß nur eins", erwiderte Brian und nahm ihre Hand, „wir müssen so schnell wie möglich herausfinden, um was es geht. Es darf nicht noch jemand zu Schaden kommen."
Wieder einmal verbrachten sie den größten Teil des Tages in Gesellschaft der Polizei, zuerst in Shellys Wohnung und anschließend in Charlies Haus. Jetzt auf einmal waren die Beamten höchst interessiert an Grant Edwards. Er war bislang die einzige heiße Spur, die sie hatten, und nun endlich machten sie Anstalten, ihr nachzugehen.
Was von den Unterlagen, die sich bei Shelly befunden hatten, verschwunden war, war nicht feststellbar. Nur daß eine ganze Menge fehlte, war klar. Ansonsten vermißte Shelly nichts, es war dem Einbrecher ganz offensichtlich um die Papiere gegangen. Warum er das Apartment verwüstet hatte, blieb vorerst ein Rätsel. Möglicherweise war es aus Wut geschehen, weil er letzten Endes doch nicht das gefunden hatte, wonach er suchte.
Bei Charlie waren die beiden Schreibtischschubladen, für die Shelly und Brian keinen Schlüssel hatten finden können, aufgebrochen worden. Was auch immer sich in ihnen befunden hatte, es war weg.
Wie soll man jemals des Rätsels Lösung finden, wenn alle Spuren, die in die richtige Richtung führten, beseitigt worden sind? fragte sich Brian, während sie zu Shellys Apartment fuhren. Sie wollte ein paar Sachen packen, um auch die folgende Nacht wieder bei ihm zu verbringen. Darauf hatte er bestanden, denn er war der Meinung, in ihrer Wohnung könne sie keinesfalls bleiben. Was sie auch einsah.
„Du hast dir doch die Sachen kurz durchgesehen, die wir aus Charlies Haus abgeschleppt haben. Was war das alles?"
„Unglaublich viele Arztrechnungen."
„Mehr, als er bezahlen konnte?" wollte Brian wissen.
„Nein. Das hat mich am meisten erstaunt. Sie waren alle ausgeglichen - soweit ich gesehen habe, vierzig bis fünfzigtausend Dollar pro Jahr oder mehr."
„Wie?" grübelte Brian. „Wie war es ihm bloß möglich, für derart hohe Behandlungskosten aufzukommen? Hat er mit der Firma so viel Geld gemacht? Kannst du dir das vorstellen?"
„Ich habe keine Ahnung. Um die finanzielle Seite der Firma habe ich mich nie gekümmert."
„Das ist höllisch viel Geld. Meinst du nicht, daß es möglich gewesen wäre, Marion wenigstens in einem kostengünstigerem Pflegeheim unterzubringen?"
„Das war sie am Anfang auch. Doch dort wollte sie Charlie nach einiger Zeit nicht mehr lassen."
„Warum nicht?"
„Das ist nicht so einfach zu erklären, weißt du. Man muß wissen, was die Alzheimersche Krankheit ist, um alles verstehen zu können. Sie ist im wahrsten Sinn des Wortes verheerend, weil sie die Persönlichkeit eines Menschen zerstört, schleichend und unabänderlich. Marion wurde immer mehr zu einem Kind, das die Folgen seiner Taten nicht übersehen kann. Eines Morgens, als Charlie noch schlief, hat sie um ein Haar das Haus angezündet. Sie war hungrig und versuchte, sich Eier mit Speck zu braten. Sie wußte nicht, was sie tat, und irgendwie entstand ein Brand. Charlie erwachte buchstäblich in letzter Sekunde. Dann sah er ein, daß seine Frau jemanden brauchte, der rund um die Uhr bei ihr war. Das war der einzige Grund, aus dem er sich dann schweren Herzen entschloß, sie in ein Pflegeheim zu geben."
„Und dann?"
„Irgendwann erzählte er mir sehr bedrückt, daß man dort nicht auf ihre Bedürfnisse eingehen würde."
„Was war passiert?"
Shelly erinnerte sich an den Tag, als Charlie ins Büro gekommen war. Es war bereits spät abends, und außer ihr war kein Mensch mehr da. Charlie kam herein und war vollkommen am Boden zerstört.
„Ich vermute, an diesem Tag hatten es die Pfleger mit Marion sehr schwer. Sie befand sich wohl in einer extrem schlechten Verfassung, wußte noch weniger als sonst, was sie tat, und war sehr unruhig. Soweit ich Charlie damals verstanden habe, gelang es nicht, sie auf irgendeine
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