Tiffany Duo Band 77
Bootsrampe. Nirgendwo waren Menschen zu sehen, keine Hilfe weit und breit.
Brian betätigte die Bremsen, doch sie reagierten nicht. Das Flußufer kam in rasendem Tempo näher...
Shelly schrie auf, als sie wieder einen Schlag verspürte.
Und dann ging alles so schnell, daß sie sich später an nichts mehr erinnern konnte. Das nächste, was ihr zu Bewußtsein kam, war, daß sie sich im Wasser befand. Es war in das Flugzeug eingedrungen und stieg unaufhaltsam höher.
„Brian!" Hatte sie seinen Namen gerufen, oder erschien es ihr nur so?
„Ich bin hier." Seine Stimme beruhigte sie, und sie bemühte sich, die Panik, die sie zu überwältigen drohte, in den Griff zu bekommen.
„Ich komm' nicht raus." Sie kämpfte mit dem Sicherheitsgurt, der sich verklemmt hatte. Brian kam ihr zu Hilfe. Seine Hand legte sich über ihre, und sie verstand zuerst überhaupt nicht, was das zu bedeuten hatte. Bis ihr klar wurde, daß sie beide zusammen heftig an dem Gurt zerrten.
Natürlich. Er versuchte ihr zu helfen. Und er würde es schaffen. Das Wasser stieg schneller und schneller. Es hatte bereits ihre Hüften erreicht, und sie spürte, wie die Maschine unaufhaltsam sank.
„Brian." Ihre Furcht war groß wie nie zuvor. Sie hatte Todesangst. Das Wasser stand bereits in Brusthöhe. Es wirbelte und gluckste. Dann endlich hatte Brian es geschafft. Der Gurt war offen.
„Shelly? Hör mir zu. Wir müssen sofort raus hier. Ich muß jetzt versuchen, die Tür aufzukriegen. Wenn ich soweit bin, wird noch mehr Wasser rein strömen, okay? Wir müssen sofort raus schwimmen, hast du verstanden?"
Ja, natürlich hatte sie verstanden. Sie holte keuchend Luft und dachte daran, wie sehr sie es haßte zu tauchen.
„Noch eine Sekunde", versuchte sie ihn aufzuhalten, bevor er in dem wirbelnden schwarze Wasser verschwand.
Er hielt inne und sah sie an. Es gab so viel zu sagen, so viel, was sie doch nicht sagen konnte. Sie brachte kein Wort heraus. Statt dessen streckte sie die Arme aus und zog ihn ganz eng an sich.
„Alles wird gut", flüsterte er beruhigend. „Wir kommen schon raus hier."
Sanft, doch entschlossen, machte er sich von ihr los.
„Also los. Ich zähle. Hol tief Luft. Wenn ich bei drei bin, heißt das, die Tür ist offen. Dann folgst du mir. Wenn du durch bist, atme aus und folge den Luftblasen nach oben, klar?"
Sie wollte protestieren, wollte ihm sagen, daß sie Angst hätte, es nicht zu schaffen, doch die Zeit drängte.
Er begann zu zählen.
Schwimmen liebte sie, doch zu tauchen, war ein Horror für sie. Sie fühlte sich eingesperrt und ausgeliefert.
„Zwei", hörte sie ihn und machte sich bereit, ihm zu folgen.
„Drei."
„Ahh!" Hatte sie geschrien, oder es sich nur eingebildet?
Und dann war er weg.
Ich liebe dich, Brian, dachte sie, und wenn wir hier lebendig rauskommen, werde ich es dir sagen.
Nun hörte sie, wie die Tür nachgab, spürte den Sog des Wassers, und dann war für nichts mehr Zeit. Sie holte wild und tief Luft und folgte ihm hinaus.
Als Shelly in Brians Armen erwachte, lag sie am Ufer des Flusses und wußte im ersten Moment weder wie sie dahingekommen war, noch was sich eigentlich ereignet hatte.
Und dann fiel ihr Blick auf das Flugzeug, oder besser gesagt, auf das Seitenleitwerk, das aus dem Wasser herausragte.
Ihr Magen rebellierte, und ein eisiger Windstoß, der vom Wasser her kam, fuhr ihr in die Glieder. Vor Kälte zitternd schmiegte sie sich ganz eng an Brian. So nah war sie ihm seit vielen Jahren nicht mehr gekommen. In ihrem Kopf hämmerte ein wilder Schmerz.
„O Gott", stieß sie hervor, als sie versuchte, sich aufzusetzen und sogleich feststellte, daß sich alles um sie herum drehte.
„Bleib liegen, und ruh dich noch ein bißchen aus", riet ihr Brian, und der sanfte Klang seiner Stimme beruhigte sie. „Du mußt im Moment nirgendwo hingehen."
Sie hustete und spuckte ein bißchen Wasser, es tat weh, der Schwindel nahm noch mehr zu, und ihre Lungen brannten.
„Was ist denn passiert?"
„Du mußt dir höllisch den Kopf gestoßen haben bei dem Versuch, durch die Tür zu kommen. Dann bist du anscheinend für einen Moment ohnmächtig geworden und hast Wasser geschluckt.” Und mir den Schock meines Lebens versetzt, fügte er in Gedanken hinzu.
Als Brian an die Oberfläche gekommen war, hatte er nichts anderes vorgefunden ein sinkendes Flugzeug im trüben, schlammigen Wasser. Von Shelly weit und breit keine Spur. Darüber war er mehr in Panik geraten als die ganze Zeit vorher
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