Tiffany Lieben & Lachen Band 0010
überlegte, wie viel er Tara erzählen konnte, ohne zu lügen. Da er ihr nicht gut sagen konnte, dass er eigentlich Bauingenieur war, konzentrierte er sich auf Sherry. “Sie ruft mich an, um sich geschäftliche Ratschläge zu holen”, antwortete er langsam.
“Lassen Sie mich raten”, meinte sie, bevor er fortfahren konnte. “Ihre Familie hat ein Unternehmen, und Sie haben sich geweigert, es zu übernehmen.”
Er sah sie völlig verdutzt an.
“Ich liege richtig, oder?”, fragte sie.
“Ja.” Er hatte seinen Abschluss zwar nicht in Betriebswirtschaft gemacht, wie sie zweifellos vermutete, aber seine Verweigerung war eine Tatsache.
Tara lehnte sich etwas nach vorn. “Und warum wollten Sie nicht in das Familienunternehmen einsteigen?”
“Es geht um Damenunterwäsche.”
“Was ist so schlimm daran?”
Er lachte laut auf, und Alley sprang aufgeschreckt vom Sofa. “Wenn Sie mit einem Vater groß geworden wären, der von Ihren Schulkameraden der ‘Slip-König’ genannt wurde, würden Sie das nicht fragen. Aber mein Vater meinte, das wäre ihm egal, solange das Geschäft gut liefe.”
“Es ist doch nichts dagegen einzuwenden, wenn man stolz auf seine Arbeit ist”, erwiderte Tara.
“Dann hätte er selbst in diesem Werbespot auftreten sollen, statt Sherry und mich dazu zu verdonnern.”
“Welcher Werbespot?”3 fragte sie. Dann schien ihr ein Licht aufzugehen. “Erzählen Sie mir nicht, dass er Sie darin in Unterwäsche posieren ließ.”
Gegen seinen Willen musste Jay lächeln. “Er verkaufte Damenunterwäsche, erinnern Sie sich? Mit einem Transvestiten als Sohn hätte er seinen Umsatz wohl nicht gerade erhöht. Auch wenn ich erst sechs Jahre alt war.”
“Was sollten Sie also tun?”
“Ausschlaggebend war nicht das, was Sherry und ich tun, sondern was wir sagen sollten.” Jay schauderte es bei der Erinnerung an die Worte. “Wir schauten in die Kamera, lächelten über das ganze Gesicht und sagten …”
“Reden Sie weiter”, ermutigte sie ihn.
“Hören Sie auf die Overmans, wir sagen Ihnen, dass es das Untendrunter ist, das zählt.”
Tara schnitt eine Grimasse. “Das ist ganz schön mies.”
“Es kam noch schlimmer. Der Spot lief mehrere Jahre. Es ist eine Sache, Damenunterwäsche anzupreisen, wenn man sechs Jahre alt ist, eine andere, wenn man fast schon in der Pubertät steckt. In der Schule nannten mich alle den ‘Slip-Prinzen’.”
“Aua. Und was haben Sie dagegen getan?”
“Ich habe bei meinem Onkel gelernt, Automotoren wieder funktionstüchtig zu machen und mit dem Jagdgewehr zu schießen. Und ich habe erfolgreich in der Footballmannschaft der Schule gespielt.”
“Haben Sie sich dabei die Narbe geholt?” Sie strich über die dünne Narbe entlang seiner linken Augenbraue. Obwohl sie ihn nur mit dem Zeigefinger berührte, stand sein gesamter Körper unter Strom.
“Ja. Ich habe während eines Spiels meinen Helm verloren, bin dem Zweikampf aber trotzdem nicht aus dem Weg gegangen”, antwortete Jay.
“Das hört sich so an, als hätten Sie mit männlichen Hobbys und Verhaltensweisen gegen Ihren Vater rebelliert.”
“Vermutlich war das so”, sagte er, selbst überrascht darüber, dass er ihr vertraute. Er hatte niemals zuvor darüber geredet, noch nicht einmal mit Sherry, die ja ebenfalls sehr wegen dieses albernen Werbespots gehänselt worden war. Aber wenn er bedachte, was er alles vor Tara verheimlichte, hatte er sich jetzt auf gefährliches Terrain begeben.
“Und was ist mit Ihnen?”, fragte er, um das Thema zu wechseln. Er berührte ganz sacht die leichte Krümmung ihrer Nase. “Wenn ich mich nicht täusche, war die hier einmal gebrochen.”
“Ach, das. Sammy Baumgartner, der Rabauke der Schule, hat mir in der dritten Klasse eins auf die Nase gegeben”, sagte Tara.
“Hat Mutter Baumgartner Sammy nicht gesagt, dass man Mädchen nicht schlägt?”
“Sammy hieß eigentlich Samantha und hat auf Chancengleichheit bestanden. Ich bin ihrer Faust auf dem Weg zu Mikey McGillicuttys Gesicht gewissermaßen in die Quere gekommen. Ich war so sauer auf sie, dass ich zurückgeschlagen habe. Es war das erste und letzte Mal, dass ich körperliche Gewalt angewendet habe.”
“Also haben Sie ihr auch die Nase gebrochen?”
Tara grinste verlegen. “Nein, ich habe Sammy nicht richtig getroffen, aber angeschwärzt, sodass sie drei Tage von der Schule suspendiert wurde.”
“Sie sollte man also nicht verärgern”, sagte er, während ihm nur zu deutlich
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