Tim (German Edition)
— oder vielleicht sogar müsste. Vielleicht auf andere Weise als Hal, aber ich stellte fest, dass ich bei meinen Lerngewohnheiten nicht aufhören sollte. Ich hatte ein paar Kilo zu viel auf den Rippen. Sport war fast so unbekannt für mich wie Dates mit Frauen. Ich fuhr oft zu schnell und die Beziehung zu meinen Eltern war nicht gerade die beste. Ich konnte diese Liste ewig lang fortführen.
Würde Tim einen neuen Charlie immer noch lieben? Würde er einen neuen Charlie mehr oder weniger lieben als den alten? Sollte ich Tim fragen, was er dazu sagt?
Mitten in diesen Überlegungen erreichte mich Tim‘s November-Brief, Nummer zwei. Er ging ausführlich auf meine Frage ein, die ich ihm gestellt hatte, gab aber zu, dass er noch keine Antwort darauf hatte. Er versprach mir jedoch, nichts zu tun bis wir eine Lösung für das Problem gefunden hatten. In meiner Antwort versprach ich ihm, das gleiche zu tun, verschwieg ihm aber meine Überlegungen zum neuen Charlie — zumindest vorerst.
Als ich ein paar Tage später unter der Dusche stand, hörte ich ein Wort in meinem Kopf: Bullshit . Ich war gerade dabei, mich für meine Vorlesung um 9:00 Uhr fertig zu machen. Es war bereits 8:30 Uhr und ich würde keine Zeit für Frühstück haben und gerade noch rechtzeitig zum Beginn der Vorlesung im Hörsaal ankommen. Aufgrund meiner Entscheidung, die ich über einen Monat zuvor getroffen hatte, würde ich immerhin darauf vorbereitet sein. In diesem Moment beschloss ich, dass ich mehr als nur mein Lernverhalten an mir ändern musste. Der Gedanke, dass Tim mich deswegen weniger lieben könnte war nur eins: Bullshit.
Hätte mich jemand im Camp gefragt, ob ich mit meinem Leben zufrieden war, hätte ich vermutlich ja gesagt. Bullshit! Es war eine sehr angenehme Selbsttäuschung, mehr aber nicht. Ich war nicht mit mir zufrieden. Ich beschloss, zukünftig Sport zu treiben, weniger zu essen, zu vernünftigeren Zeiten ins Bett zu gehen und früher aufzustehen, damit ich mich morgens nicht so beeilen musste.
In meiner Antwort auf Tim‘s dritten Brief schüttete ich ihm mein Herz aus. Ich versprach, dass ihn in drei Jahren ein neuer, verbesserter Charlie erwarteten würde. Ich erklärte ihm, dass mich meine Überlegungen zum neuen Hal zum Nachdenken gebracht hatten. Ich gestand ihm auch, dass ich besorgt darüber war, ob er den neuen Charlie genauso lieben würde wie den alten. Ich fügte meinem Brief wieder ein paar Details zu meinem Alltag hinzu und schickte ihn kurze Zeit später ab. Die ersten drei Monate hatten wir überstanden.
Kapitel 28: Tim
----
Der dritte Brief war nicht einfach zu schreiben. Ich verbrachte meinen Tag in der Schule und anschließend entweder auf dem Sprungturm oder in der Sporthalle. Abends war lernen angesagt. Erstmals verstand ich, warum Charlie auf einen Brief pro Monat bestanden hatte. Ich könnte ihm mit Sicherheit täglich schreiben. Es lag nicht daran, dass ich nicht schreiben wollte. Aber im Endeffekt wäre der Inhalt gering. Ich würde ihm jeden Tag fast das gleiche erzählen und ihn irgendwann langweilen. Charlie hatte recht. Das wäre Zeitverschwendung, für uns beide.
Ich fasste mich in meinem Brief kurz, brachte mein Leben auf den neuesten Stand, erzählte ihm von unseren Plänen für Weihnachten und sagte ihm, dass ich ihn liebte und wie sehr er mir fehlte. Ich fügte auch hinzu, dass ich ihn verstand und dass er mit seiner Bedingung recht hatte, sich auf einen Brief pro Monat zu beschränken.
Charlie‘s Antwort kam eine knappe Woche später. Und der Brief überraschte mich. Ich hatte nicht erwartet, was ich mit meiner Kritik an seinen Noten ausgelöst hatte. Ich wusste nicht, wie unzufrieden er mit sich selbst war. Aber es freute mich, dass er dazu bereit war, das zu ändern. Nicht für mich, sondern damit er mit sich selbst glücklicher ist.
In meinem vierten Brief ging ich darauf ein und freute mich, dass er diese Entscheidung für sich getroffen hatte. Ich sagte ihm, wie sehr ich mich darauf freute, mehr über den neuen Charlie zu erfahren und antwortete auf seine Sorgen mit einem Satz, den er sicher bereits kannte: Hör auf mit dem Bullshit . Ich wusste auch, dass ich nicht mehr dazu schreiben musste. Als nächstes kam ich meinem Brief auf die Frage zurück, die er mir ein paar Monate zuvor zum Thema Sex gestellt hatte:
Charlie, ich habe viel über Sex nachgedacht. Wir müssen die Frage in zwei Teile aufteilen. Erstens: für die Zeit, wenn wir zusammen sind. Und zweitens: für die
Weitere Kostenlose Bücher