Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen
Papier.
An Bord des Bootes gab es Seekarten und große Treibstofftanks, Trinkwasser und massenhaft Konserven. Wie Minos das alles vorbereitet hatte, wußten sie nicht, doch hatte das Boot sicher schon lange bereitgelegen, ehe sie auf der Bildfläche auftauchten. Vielleicht hatte er selbst Fluchtpläne gehabt, die er dann wegen seiner biologischen Zwänge hatte aufgeben müssen. Oder vielleicht war er doch nicht so sehr ein Sklave des Tempels, wie er es dargestellt hatte. Möglich, daß er viele luxuriös ausgestattete Boote hatte, die im Verborgenen warteten…
Den Karten entnahmen sie, daß sie sich viel weiter südlich befanden, als sie angenommen hatten. Der Tunnel nach China – eigentlich nach Sibirien – lag noch weit weg. Sie befanden sich auf den Aleuten, von wo aus es nirgends hinging. Mit diesem starken Boot aber war eine Überfahrt möglich, wenn man der Inselkette bis zur Halbinsel Kamtschatka folgte. Von dort aus konnten sie entweder über Land nach Norden, Westen und Süden oder aber sie nahmen den Seeweg, die Inseln entlang bis Japan.
In Vars Kopf schwirrte es vor Namen, die Soli nannte. Diese unheimliche Karte war wie die Bücher des Herrn. Sie stammten aus der Zeit vor dem Brand und enthielten daher viel Unsinn. Manche Insel war vielleicht gar nicht mehr vorhanden.
Keiner der beiden schlug aber vor, den Rückweg einzuschlagen, am Amazonenbau vorbei, sodann weiter nach Alaska und weiter nördlich zum eigentlichen Übergang. Oder gar zurück nach Amerika. China war nun ihr festes Ziel, und das aus keinem vernünftigen Grund. Denn es hatte sich schon erwiesen, daß sie sich nur in ihrer eigenen Kultur wohl fühlten. Und falls der Herr ihnen noch immer auf den Fersen war, hätte er sie längst eingeholt haben müssen.
Sie konnten nach Hause zurückkehren, und Soli konnte sich dem Vater ihrer Wahl anschließen, und Var konnte wieder Krieger sein, und ihre Beziehung hätte ein Ende gefunden. Aber dann würden sie sich vielleicht nie mehr wiedersehen. Und so fuhren sie nach Westen.
Ein Sturm erhob sich, und sie legten in aller Eile an der Küste einer verlassenen Insel an. Dann kam wieder Schönwetter, und sie fuhren mit Höchstgeschwindigkeit und ließen das Boot zeigen, was es konnte.
Und mit der Zeit erschien ihnen der ganze zwei Jahre währende Aufenthalt auf Neu Kreta als etwas völlig Abgetrenntes, als unwirkliche Erinnerung. Soli wurde wieder das Kind von ehedem, Var der häßliche Krieger. Sie waren für die Liebe nicht bereit. Sie waren zwei Menschen, die ein gemeinsames Ziel verband und eine unausgesprochene Zuneigung.
So war es jedenfalls, wie Var es sah, obwohl es ihm weder so klar noch so bewußt war. Mehr als einmal ertappte er Soli, wie sie seinen Armreif anstarrte. Vielleicht dachte sie daran, wie sie den Reif für ihn gerettet hatte und dabei fast ihr Leben opferte. Es tat ihm richtig leid, daß er ihr gesagt hatte, wie töricht das war, denn es hatte sie sicher gekränkt – aber es stimmte. Hätte sie den Armreif verkauft, hätten sie die zwei Jahre auf Neu Kreta nicht auf sich nehmen müssen.
Und das führte ihn im Kreis zu einem anderen Punkt, jenem Umstand nämlich, den Minos hervorgehoben hatte. Konnte der Herr Solis natürlicher Vater sein? Ihm schien das nun unsinniger als damals in der Höhle, und Var brachte es nicht über sich, die Frage offen zu stellen. Wie würde Soli reagieren, wenn man die Vaterschaft Sols in Frage stellte? Sie liebte ihn über alles, und sie kannte den Herrn kaum. Und wenn es stimmte, wie würde der Herr reagieren, wenn er erfuhr, daß Var ihn angelogen hatte und ihn in dem Glauben gelassen hatte, seine Tochter hätte den Tod gefunden?
Die Weite des Meeres setzte sich unendlich fort, hypnotisch, schön und tödlich langweilig. Die spärlichen Inseln waren kahl, und ihre Lage entsprach nicht genau den Angaben der Karte. Sie wechselten sich am Steuer ab und richteten sich nach dem Kompaß, einer Meßeinrichtung, die immer nach Norden wies. Sie richteten sich auch nach den Sternen, und wann immer sie ein auf der Karte zu erkennendes Kennzeichen sahen, nahmen sie eine entsprechende Kurskorrektur vor.
Und wenige Tage, nachdem sie schon geglaubt hatten, der Ozean nähme gar kein Ende, sichteten sie das Festland von Asien.
Und die Menschen dort sprachen so, daß man sie nicht verstehen konnte.
»Ja, natürlich«, sagte Soli, als Antwort auf seine Verwirrung. »Sie sprechen chinesisch. Oder sie werden es sprechen, wenn wir in China ankommen. Nach der
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