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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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diese Art, unter die Haube zu kommen, eigentlich gefallen«, hatte sie gemeint. »Es ist wie ein Glücksspiel. Bekommt man einen gut aussehenden Jüngling mit gefülltem Geldsack oder aber einen abgerissenen Unglücksraben?«
    Hatten die anderen Reisenden die beiden Freundinnen anfangs noch misstrauisch beäugt, so änderte sich dies, als sie großzügig die ihnen zugedachten besseren Lebensmittel mit den anderen teilten.
    Als sie am zehnten Tag der Reise den Kanal von Dover erreichten, stand Lea an der Reling und betrachtete das Meer. Die Mary-Ann hatte drei Tag unter ungünstigen Verhältnissen gekreuzt. Lea hatte an Übelkeit gelitten und kaum etwas essen können. Doch jetzt war die See wieder ruhig. Fasziniert glitten ihre Augen über die schillernden Wogen, die sich endlos bis zum Horizont zogen.
    Das Deck unter Leas Füßen neigte sich ein wenig, doch mittlerweile machte ihr das sanfte Schaukeln des Schiffes nichts mehr aus. Manchmal traf ein feiner Dunst ihre Haut.
    Leas Gedanken wanderten zu Rebekka. Sie wartete sicherlich schon sehnsüchtig auf ihre Ankunft. Sich die waghalsige Schwester in der Mutterrolle vorzustellen fiel Lea schwer. Und bei dem Gedanken an Rebekkas Übermut beschloss sie, ihr Kommen nicht vorab mitzuteilen, sondern sich allein auf den Weg zur Farm zu machen. Rebekka brachte es fertig, ihr hochschwanger in einem schaukelnden Ochsenwagen entgegenzufahren.
    Als Lea wieder unter Deck kam, bot ihr die rundliche Wilhelma, auch eine der bestellten Bräute, eine Schüssel mit Hafergrütze an. Der Brei war zwar etwas klumpig, tat aber Leas geschundenem Magen gut.
    »Wie die Männer wohl sind, die drüben auf uns warten? Hoffentlich krieg ich nicht so eine dünne Bohnenstange ab«, sagte Wilhelma.
    »Na, dann kochst du ihm jeden Tag was Gutes und fütterst ihn dir eben heraus«, schlug Lea vor, und alle lachten.
    »Was soll nur werden, wenn mich mein Bräutigam scheußlich findet und nicht haben will?«
    Bell ließ sich neben ihr auf die Koje nieder. »Mädchen, mach dir keine Sorgen. So dünn gesät, wie Frauen dort sind, werden die Jungs euch mit offenen Armen empfangen. Männer sind Männer. Bei einem weichen warmen Frauenkörper werden sie schwach. Da schaltet sich das Denken von selbst aus.«
    Die Tage und Wochen vergingen, und alle hatten sich längst an den Rhythmus des Lebens an Bord gewöhnt. Manchmal holten einige Passagiere ihre Instrumente hervor und ließen Lieder über der See erklingen.
    Viele alleinstehende Männer reisten im Zwischendeck, aber auch ganze Gruppen von Familien. Sie alle genossen das ruhige Dahingleiten des Seglers und schauten kaum jemals nach oben, da sie sich des neugierigen Beäugens der Kajütpassagiere bewusst waren.
    »Ich komme mir vor wie die Tiere des Wanderzirkus, mit dem meine Truppe einige Zeit herumgereist ist. Wir dienen denen da oben als Unterhaltung gegen ihre Langeweile«, sagte Bell eines Tages erbost. »Ich kann spüren, was sie denken. Was für arme Kreaturen! Hoffentlich stecken sie mit ihrer Kocherei nicht das ganze Schiff in Brand. Und seht nur, wie schmutzig und ungepflegt dieses Volk ist. Abschaum! Gut, dass wir uns von denen abheben!«
    »Ignoriere sie einfach, Bell. Wir werden in Amerika ankommen, genau wie sie! Und das allein ist wichtig.«
    »Ich kann es kaum abwarten, Lea. Du glaubst nicht, wie ich mich darauf freue, endlich wieder etwas anderes zu hören als das ewige Gerede der Frauen über Kinder und Männer, über Kochen und Putzen. Es macht mich ganz verrückt. Ich fiebere der Zeit entgegen, wo ich wieder tanzen und singen kann, wo das Leben anfängt. Ich will unter Männern sein, Karten spielen und Kleider tragen, die ein bisschen mehr Haut zeigen. Ich vermisse funkelnden Schmuck und hasse meine Hauben und vor allen Dingen die dicken Strümpfe.« Sie zog verächtlich am wollenen Stoff.
    »Das ist nicht meine Welt! Ich will in der Bewunderung der Männer baden und sehne mich nach dem Geruch von Tabak und Pferden. Eines weiß ich nach dieser Reise ganz genau: Für mich ist dieser ganze Frauenkram nichts. Ich könnte ein solches Leben nicht aushalten!«
    Nach ihrem Gefühlsausbruch blieb es still. Bells Worte erschreckten Lea. Sie hatte ganz bewusst den Gedanken daran, dass sich nach der Ankunft in New Orleans ihre Wege trennen würden, von sich geschoben.
    »Was genau wirst du tun in Amerika, Bell?«
    »Ich weiß es noch nicht. Ich habe dir doch von den Riverboat-Casinos erzählt, die den Mississippi bereisen. Vielleicht versuche

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