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Tochter der Insel - Historischer Roman

Tochter der Insel - Historischer Roman

Titel: Tochter der Insel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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Kronleuchtern tauchte alles in warmes Licht. Der Glanz wurde nur noch übertroffen von den Roben der Frauen. Staunende Blicke streiften Bell, die trotz der Schlichtheit ihres Aufzugs wie eine Königin wirkte.
    Lea war es gleichgültig, ob und wer sie beachtete. Mit der Hand strich sie unauffällig über den Stoff ihres neuen Kleides. Das erste Kleid überhaupt, das sie sich in Amerika gekauft hatte. Es war aus handgesponnenem Leinenstoff. Das Material war derb, billig und eigentlich gewöhnlich gewesen. Aber Lea hatte den Stoff so häufig gewaschen und gebleicht, dass aus dem unansehnlichen Braun ein zartes Beige geworden war. Das fertige Kleid mit dem kleinen runden Ausschnitt und den gerüschten Ärmeln passte ausgezeichnet zu ihrer dunklen Haut und ihren braunen Augen.
    Bell blieb bei einem der Pokertische stehen und Lea blickte neugierig über die bunte Menschenansammlung, die sich um sie herum bewegte. An dem Tisch vor ihnen pokerte ein Chinese in weit geschnittener Tracht. Ein langer Zopf hing über seinen Rücken. Ihm gegenüber saß ein bunt herausgeputzter Stutzer mit spöttischer Miene. Der dritte Mann glich einem Straßenräuber.
    »Vielleicht ein Goldwäscher, der Glück gehabt hat«, mutmaßte Bell.
    »Was ist das für ein Landsmann?«, flüsterte Lea und wies auf den vierten, sehr gepflegt aussehenden Spieler.
    »Ich schätze, einer dieser glatt polierten Krämer, die momentan gute Geschäfte machen.«
    »Und was mag dies nur für ein Landsmann sein?«, wisperte eine Stimme dicht an Leas Ohr.
    Sie fuhr erschrocken herum. »Nikolas! Was machst du denn hier?«
    »Guten Abend, Lea. Das Gleiche könnte ich eher dich fragen. Mir sind vor Verblüffung fast die Augen aus dem Kopf gefallen.«
    »Ich bin mit Bell hier. Ich hab dir doch von ihr erzählt. Sie hat mich mit einem Besuch überrascht und da Pokern ihre Leidenschaft ist, mussten wir natürlich heute Abend gleich ins Full House. «
    Lea zog an Bells Ärmel, doch die hatte schon längst die Aufmerksamkeit ihrer Freundin. »Bell, das ist Nikolas Holzbart.«
    »Nachdem ich schon so viel von Ihnen gehört habe, freue ich mich, Sie kennenzulernen.« Bell streckte ihm ihre Hand entgegen.
    »Die Freude liegt bei mir.« Er betrachtete sie hingerissen. »Hat Sie schon einmal jemand fotografiert?«
    Die beiden Frauen begannen zu prusten.
    »Ich habe es ihr schon prophezeit«, lachte Lea.
    Bell ging nicht auf Nikolas’ Frage ein. »Pokern Sie?«
    »Ich hab es erst vor Kurzem gelernt. Auf der Reise den Mississippi hoch nach St. Louis hat mir ein alter Knabe die Feinheiten des Spiels beigebracht.«
    »Oh, es ist gut, das Sie es nicht für ein reines Glücksspiel halten wie die meisten Anfänger. Es ist wichtig, das Spiel zu kennen und vor allen Dingen seine Mitspieler einschätzen zu können. Behalten Sie Ihren Gegner im Auge und Ihnen wird schnell klar sein, wann Sie passen und wann Sie den Einsatz erhöhen sollten. Sie dürfen nur nicht zu stark bluffen, das Blatt nicht überreizen, sonst ist alles verloren. Und, das Allerwichtigste, Sie sollten nie um mehr spielen, als Sie haben.«
    »Ich glaube, ich sollte Unterricht bei Ihnen nehmen.«
    Lea sah, wie er Bell mit den Augen verschlang, und konnte ein leises Auflachen nicht unterdrücken.
    »Kommen Sie, Nikolas. Dort am Tisch sind gerade zwei Plätze frei geworden. Man lernt am besten beim Spiel.«
    Lea sah, wie Nikolas einen Stuhl für Bell zurückschob. Er selbst ließ sich zwischen ihr und einem schweren vierschrötigen Mann nieder.
    »Kapitän Swallow«, stellte der sich vor. Seine Zigarre wanderte fortwährend von einem Mundwinkel in den anderen. Der vierte Spieler war ein junger Stutzer namens James Potters.
    »Ich gebe!« Bell hatte das Pik-Ass gezogen, verteilte die Karten und schob ihren Einsatz in die Mitte des Tisches. Sie konzentrierte sich auf den Fächer aus fünf Karten in ihrer Hand.
    Lea bemerkte, dass Nikolas weniger sein Blatt als vielmehr Bell betrachtete. Das war nicht zu seinem Vorteil. »Ich passe!« Er zuckte die Schultern und legte seine Karten verdeckt auf den Tisch. Sein Blick streifte fragend den Kapitän, dessen Gesicht fast im Qualm seiner Zigarre verschwand.
    »Ich warte noch ab.«
    »Ich erhöhe«, sagte Bell ruhig und hielt zwei Geldscheine in die Luft.
    Der Kapitän brachte es kaum fertig, seine Freude zu verbergen. »Ich verdopple.«
    »Sie scheinen mir etwas im Schilde zu führen, mein Lieber. Ich lege trotzdem noch mal dasselbe drauf«, sagte Bell beinahe entschuldigend.

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